An der Rezeptionsgeschichte speziell dieses Werks von Wagner und seinem Antisemitismus haben sich schon Dutzende Regisseure abgearbeitet. David Pountney, der in Leipzig seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Ulf Schirmer aus Bregenzer Zeiten wieder aufnimmt, besinnt sich endlich wieder auf das Werk selbst, und das mit einer wahrlich tollen Idee: Das mittelalterliche Nürnberg rückt – umgeben von einem Amphitheater nach griechischem Vorbild – im Kleinformat und gebaut aus Holzelementen ins Zentrum von Leslie Travers’ Bühne. Im zweiten Akt wirkt es zunächst unter nächtlichen Beleuchtungswechseln noch pittoresker, bis die Prügelfuge in ein sinnbildhaft kriegerisches Geschehen ausartet. Zu den letzten Tönen des Nachtwächters legt sich eine fotografische Ansicht vom zerbombten Nürnberg über die Arena. Aspekte zu deutscher Geschichte und Identität finden mithin durchaus ihren Raum.

Später findet sich das zerstörte Nürnberg als Ruine nur noch als schmaler Streifen über der Schusterstube und fährt mit ihr vor der letzten szenischen Verwandlung in den Bühnenboden hinab. Damit ist auch der Rahmen für den gesellschaftlichen Konflikt ideal abgesteckt: Die bereits etablierten Älteren, von Marie Jeanne Lecca in prächtige Mode des 16. Jahrhunderts eingekleidet, müssen sich mit dem jungen Neuerer Stolzing, von Anfang an ein heutiger Außenseiter mit roten Sneakers, zusammenraufen. Zum Ende führt Pountney die beiden Ebenen zusammen, gleicht sich Stolzing der Gemeinschaft an, wenn er zu seinem Preislied im vornehmen Anzug auftritt. Und doch werden gleichzeitig Neuerungen sichtbar: In hellem Licht erstrahlt nun, abermals im Kleinformat, der Deutsche Reichstag.

Auch musikalisch gelingt eine weitgehend vorzügliche Einstudierung, auch wenn Mathias Hausmann zum Premierenabend den Sixtus Beckmesser wegen einer schweren Erkältung nur spielen kann. Für ihn singt dezent vom Bühnenrand und allemal souverän Ralf Lukas. Freilich steht und fällt die Oper mit der Besetzung des Sachs, und der ist hier bei dem stimmlich profunden, erfahrenen James Rutherford in besten Händen, gibt er doch wie einst ein Bernd Weikl oder Robert Holl den Schuster als einen weisen, erhabenen und – ja auch etwas stämmigen – Mann.

Der Stolzing von Magnus Vigilius gefällt mit großem Volumen und erinnert mit seinem betont hellen Timbre stupend an Klaus Florian Vogt. Elisabet Strid gibt seitens der Erscheinung geradezu ein Bilderbuch-Evchen ab, lässt nur seitens Timbre den für diese Rolle gebotenen Liebreiz etwas vermissen.

Matthias Stier singt seinen David mühelos und höchst agil in allen Lagen. In kleineren Rollen runden Kathrin Göring (Magdalene), Sebastian Pilgrim (Veit Pogner), Tobias Schabel (Fritz Kothner) und Sejong Chang (Nachtwächter) singend und spielend die Vorstellung ab.

Ein herzlicher, verdienter Beifall bleibt nicht aus. Nicht zum ersten Mal empfiehlt sich Leipzig mit seinem guten Geschmack Wagnerianern als eine Alternative zu einer Metropole wie Berlin, wo schon lange keine Wagner-Neuinszenierung mehr von den Stühlen riss.

Kirsten Liese

„Die Meistersinger von Nürnberg“ (1868) // Oper von Richard Wagner

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