Der Aufforderung „Nun eilt herbei, Witz, heitre Laune“ der charmanten Frau Reich kann man sich einfach nicht entziehen. Sie und Nachbarin Frau Fluth setzen in Otto Nicolais komisch-phantastischer Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ nicht nur dem abenteuerlustigen, liebestollen und trinkfesten Sir John Falstaff, sondern auch ihren eifersüchtigen Ehemännern „Hörner“ auf. Diese Windsor-Weiber sind wirklich lustig, klug, attraktiv, selbstbewusst, gerissen und resolut. Bettina Pierags (Frau Fluth) und Gerlind Schröder (Frau Reich) sind in Oliver Klöters Inszenierung von Beginn an treibende Kraft und modisch-attraktive Herzdamen. Sie spinnen eine Intrige um und mit dem liebestollen, trinkfesten und beleibten Hagestolz Sir John (eine Paraderolle für Klaus-Uwe Rein), um ihren einfältigen Ehemännern die Eifersucht auszutreiben. Nebenbei geht es um eine junge Liebe, die erst nach Irrungen und Wirrungen und allerlei Spuk ihre Erfüllung findet. Das Ganze ist verortet in einem fiktiven Windsor der Gegenwart. Häuserfluchten links und rechts begrenzen die (Spiel)-Fläche. Eine Bank und eine rote Telefonzelle sowie eine Flagge stehen für Old-England. Und auch die Queen grüßt für einen Moment hoheitsvoll. Aus dieser trostlosen Bühnenlandschaft entstehen in Windeseile Schauplätze im Hause Reich und Fluth, wird ein ominöser Wäschekorb hin und her transportiert und entsteht ein Pub für das Saufgelage von Sir John und dessen Kumpanen unter den wachsamen Augen zweier Constabler. Ausstatterin Andrea Kaempf hat alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Spiel unter Corona-Bedingungen optimal ablaufen kann. So setzt der Regisseur auf Abstand. Es gibt kaum Berührungen, keinen Austausch von Zärtlichkeiten. Über weite Strecken erlebt man die Handlung (ohne Chor und Statisten) als Kammerspiel, in dem schon mal an der Rampe gesungen wird.

Dass „Witz, heitre Laune“ trotz der schmalen Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz nicht auf der Strecke bleiben, ist ausnahmslos den Solisten und den Harzer Sinfonikern unter der Leitung von Fabrice Parmentier zu verdanken. Sie haben sich zum Finale den Goldregen aus dem Bühnenhimmel und den langanhaltenden Beifall des Publikums verdient. Allen voran Klaus-Uwe Rein als stimmgewaltiger und trinkfester Falstaff, der mit seiner Ballade „Als Büblein klein …“ brilliert. Sein Duett mit Herrn Fluth (Juha Koskela) wird nicht nur musikalisch zu einem Erfolg. Bettina Pierags brilliert mit blitzsauberen Koloraturen und Spielwitz. Gerlind Schröder agiert mit viel Power und hat bei Herrn Reich (Gijs Nijkamp) in jeder Beziehung das Sagen. Lyrische Momente mit ihren musikalischen Liebesschwüren („Horch, die Lerche singt im Hain“) setzen Bénédicte Hilbert und Max An als Jungfer Anna und Fenton. Das Finale mit der Auflösung der vielen Irrungen und Wirrungen um den gehörnten Ritter Sir John, den lustigen Weibern und ihren geläuterten Ehemännern sowie das Liebesglück der jungen Leute findet abstandsgemäß ohne die üblichen „Sommernachtstraum“-Turbulenzen mit Elfenspuk, aber mit einem wunderschön gesungenem Mondchor statt. Fazit dieser Premiere: „Um ernst zu sein genügt Dummheit, während zur Heiterkeit ein großer Verstand unerlässlich ist“ (William Shakespeare).

Herbert Henning

„Die lustigen Weiber von Windsor“ (1849) // Otto Nicolai