Das wird nichts mit dieser Liaison, da steckt von Anfang an der Wurm drin. Dido liebt mit angezogener Handbremse, sie muss von ihrer Schwester Belinda zum Jagen getragen werden. Und Aeneas, zwar entflammt, sieht sich von Anfang an in der Zwickmühle zwischen Zuneigung hier und Herrscherleid, Verantwortung, Staatsräson dort. So ist es bei Henry Purcells kurzer dreiaktiger Oper „Dido and Aeneas“ zu begreifen – was Krzysztof Warlikowski, diesen tiefbohrenden Regie-Spezialisten für Seelenpein, nur ermuntert, an der Bayerischen Staatsoper die höchst mäßige Amouren-Ausgangslage szenisch noch weiter zu bekräftigen. Dido sieht als Königin von Karthago nicht nur Unheil aufziehen, sie zeigt sich auch als eine fremdelnde, verhaltensauffällige Einzelgängerin mit fatalem Hang zu Beruhigungsmitteln. Während Aeneas, der trojanische Heldenprinz, zudem andere heiße Eisen im Feuer hat, zum Beispiel Belinda.

Es kommt, wie es auch der Mythologie nach zu kommen hat: blutiger Suizid der Dido – in München inmitten eines winterlichen, abgestorbenen Forsts. Viel Schneetreiben und kahle Nadelbäume, dazu einen gläsernen Speisesaal, der sich wie Dido und Aeneas entzweien wird, hat Ausstatterin Małgorzata Szczęśniak für die desillusionierende Handlung aufbieten lassen.

Indessen kommt es noch schlimmer, tragischer. Warlikowski verdoppelt, spiegelt das Elend einer unschuldig-schuldig verlassenen Frau. Er lässt der Purcell-Oper mit Balletteinlagen nach einem (etwas länglichen) Breakdance-Zwischenspiel und einer mörderischen Eifersuchtsszene (Dido erschießt Belinda und Aeneas) das Monodram „Erwartung“ von Arnold Schönberg folgen – also jenes knapp halbstündige nervenmusikalische Traumata-Selbstgespräch einer Frau im Wald, die ihren Geliebten sucht und tot auffindet. Zweimal also Verlust-Verzweiflung einer im Grunde zwar liebenden, sich aber dennoch selbst im Wege stehenden Frau. Auch Schönbergs Protagonistin wird sich in Warlikowskis Parallelschaltung beider Stoffe schlussendlich entleiben: durch ein Messer bei einer (Albtraum-?)Ménage-à-trois mit Aeneas und Belinda. Und keine zwei Stunden sind pausenlos vergangen, da diese mal erstaunlich gut korrelierende, mal nur unter künstlichem Nachdruck funktionierende dunkle Psycho-Analogie endet.

Endet unter Jubel für Aušrine Stundyte, die freilich für Purcell denn doch ein wenig „überbesetzt“, ein wenig zu stimmschwer bleibt, jedoch bei Schönberg beklemmend-dramatisch fahl-düstere Töne setzt. Sie ist an diesem Abend für die Klage zuständig, ihre Schwester Belinda hingegen (leichtgängig: Victoria Randem) für das hoffnungsvoll Lebenszugewandte. Günter Papendell singt dazu mit viril-rauem Bariton den Aeneas, Key’mon W. Murrah mit geboten sarkastischem Countertenor die Purcell-Zauberin. Am Pult vor dem Bayerischen Staatsorchester erstaunt Andrew Manze – Fachkraft für Alte und britische Musik – insofern, als er bei Purcell eine Grundstimmung des Lamentos favorisiert, bei Schönberg dann nur bedingt das Exaltierte.

Rüdiger Heinze

„Dido and Aeneas … Erwartung“ // Oper von Henry Purcell (1688/89) und Monodram von Arnold Schönberg (entstanden 1909; Uraufführung 1924) mit einem Interlude von Paweł Mykietyn

Infos und Termine auf der Website der Bayerischen Staatsoper