Statt goldener Elefanten paradieren Kriegsversehrte zum Triumphmarsch – erschreckend stimmig zur Musik und mit vorherrschender Botschaft: Krieg ist furchtbar, egal wo. In diesem Setting eines im Kostümbild von Carla Teti angedeuteten östlichen Regimes manifestiert Regisseur Damiano Michieletto Verdis Festmusiken gekonnt zu brutalen Stilmitteln musikalischer Kriegspropaganda. In bläulich-kalt ausgeleuchteten, nicht klar definierten Phantasieräumen (Bühne: Paolo Fantin) – zerbombte Wohnungen, Notunterkünfte – rieselt mehr und mehr Asche aus großen (Einschlag-?)Löchern von der Decke. Nach der Pause dominiert ein riesiger Ascheberg beinahe vollständig die Bühne und hat alles unter sich begraben.

Und in diesem Ansatz liegt auch die große Stärke seiner dystopischen Umdeutung: Michieletto nutzt die kammermusikalische Werkanlage und erzählt die Geschichte ohne jeden Pomp, vor dem Hintergrund einer morbiden Kriegsgeschichte und aus der persönlichen Sicht der Leidenden: Held liebt die falsche Frau, die strategisch passendere Rivalin wird nicht erhört, der Held zum Verräter degradiert und am Ende glücklich im gemeinsamen Tod mit der unselig Geliebten. Dabei weichen gängige goldene Ägypten-Klischees der dystopisch-pazifistischen Deutung, etwa wenn parallel zur Huldigung als Kriegsheld eine zweite Video-Handlungsebene Radamès’ psychisches Kriegstrauma thematisiert. Dass erzählerisch nicht immer alles in Gänze aufgeht und am Ende beim Tod in der Gruft etwas zu viel „Luftballon-Idylle“ herrscht, ist nicht weiter schlimm. Erschreckend offensichtlich fügen sich Triumph und Zerstörung sogar musikalisch stimmig ineinander – den einen oder anderen schaurigen Gänsehautmoment inklusive.

Die Schwächen dieser Produktion stecken leider ausgerechnet im wenig homogenen Solisten-Ensemble: Brian Jagde singt den Radamès durchgehend laut, unsensibel und ohne emotional erkennbarem Bezug zur Angebeteten – seine hohen Töne sind manchmal wirklich zu viel des Guten. George Petean als Amonasro klingt im Gegensatz dazu oft harmlos und kommt stellenweise gar nicht über das sehr deftig aufspielende Bayerische Staatsorchester unter Daniele Rustioni. Anita Rachvelishvilis Amneris kämpft sich mehr durch die Partie, als dass sie diese stimmlich gestaltet, die Aida der zu Beginn etwas nervösen Elena Stikhina könnte eine sensible, berührende sein – wenn ihre feinfühlige und innige Interpretation nicht von den Kollegen über den Haufen gesungen würde. Dass sie in ihrer körperlichen Präsenz samt (gewollt) unscheinbarem Kostüm nicht gegen die (übrigens sehr unvorteilhaft gekleidete) Rivalin ankommt, macht es auch nicht besser. Trotzdem mit Abstand die beste sängerische Leistung des Abends. Positiv und bühnenpräsent auch Alexandros Stavrakakis als König, stimmschön Alexander Köpeczi als Ramfis. Ausgesprochen beeindruckend und spannungsgeladen gestaltet der Chor (Einstudierung: Johannes Knecht) die Pianissimi, die selbst von der Hinterbühne aus eine sehr ergreifende Wirkung entfalten.

Iris Steiner

„Aida“ (1871) // Oper von Giuseppe Verdi

Infos und Termine auf der Website der Bayerischen Staatsoper