Es kommt nicht allzu oft vor, dass man südlich von Madrid Wagner-Aufführungen erlebt, und dazu noch durchaus gute. Das traditionsreiche Teatro de la Maestranza in der andalusischen Hauptstadt Sevilla, eher für ihren phänomenalen Dom, den Stierkampf sowie eine nicht unbekannte Oper des Wagner-Verehrers Georges Bizet berühmt, hat in diesem Herbst dreimal „Tristan und Isolde“ angesetzt. Allex Aguilera zeichnet für Regie und Bühnenbild verantwortlich. Die Kostüme kommen von Jesús Ruiz, die Beleuchtung von Luis Perdiguero und die Videos von Arnaud Pottier. Das wohl Wichtigste aber ist, dass die mittlerweile (nicht nur) im Wagner-Fach bekannte Schwedin Elisabet Strid ihre erste Isolde singt. Ihr Partner ist der langjährige Tristan Stuart Skelton und der Dritte im Bunde Albert Pesendorfer als König Marke.

Mit der Inszenierung kann man eine Interpretation erleben, die aus Wagners Intentionen und der Musik heraus erarbeitet wurde, das zentrale Thema der im Leben unerfüllten Liebe zwischen Tristan und Isolde thematisiert und mit Bühnengeschehen und -optik intensiv assoziiert. Aguilera hat sein Regiekonzept mit ständigem Blick auf die Schönheit ausgerichtet und versucht, „diese unmögliche und unbefriedigte Liebe“, wie sie sich über das ganze Stück darstellt, zu portraitieren. Aus seiner – durchaus nachvollziehbaren – Sicht hat im „Tristan“ die Musik viel mehr Macht als das Wort, womit man sicherer in der Regie sein kann und weniger Gefahr läuft, sich in zweifelhafte Interpretationen zu verlieren. So könnte eine Gebrauchsanweisung gegen überzogenes Wagner’sches Regietheater lauten …

König Marke sieht Aguilera als direkten Grund für den Transformationsprozess, den das Liebepaar durchläuft. So legt sich im zweiten Aufzug eine überdimensionale Königskrone langsam, aber sicher aus dem Schnürboden auf Tristan und Isolde. Sie dokumentiert den ungeheuren höfischen Druck, der schließlich zur Katastrophe führt. Im ersten wie auch im dritten Aufzug ist bildbestimmend das Meer in schwarz-weißen Videos auf dem gesamten Bühnenhintergrund zu sehen. Die Intensität der Wellen hätte aber besser auf die jeweilige Stimmung abgestellt werden müssen. Zusätzlich baut der Regisseur noch Elemente des japanischen Butoh ein.

Elisabet Strid erringt mit ihrer erwartungsgemäß lyrisch interpretierten Isolde einen ganz großen Erfolg. Es gelingen ihr herrliche Piani, aber auch kraftvolle Linien in der Mittellage bei durchaus guten Spitzentönen und einnehmender Darstellung. Auch Stuart Skelton lässt als Tristan vornehmlich lyrische Töne bei sichtbar zum Ausdruck gebrachtem Leidensdruck hören – ein starkes Paar! Albert Pesendorfer lässt als Marke mit seinem kraftvollen Bass einmal ganz andere, sehr menschliche Noten anklingen, in einem ebenso lebhaften wie facettenrechen Vortrag. Markus Eiche ist ein sehr guter Kurwenal und Agnieszka Rehlis eine intensive Brangäne mit farbenreichem Mezzo. Der junge Ungar Henrik Nánási dirigiert mit viel Liebe zum Detail und hoher musikalischer Intensität das Real Orquesta Sinfónica de Sevilla und den aus der Galerie singenden Coro Teatro de la Maestranza.

Dr. Klaus Billand

„Tristan und Isolde“ (1865) // Oper von Richard Wagner