Passau / Landestheater Niederbayern (April 2024) WesenAuers Vertonung von „April. Die Geschichte einer Liebe“ huldigt Joseph Roth
Niederbayerische Wagner-Erstaufführungen, Belcanto und ambitionierte Schauspielmusik: Auf dieser konsequenten Linie hat Stefan Tilch im 22. Jahr seiner Intendanz am Landestheater Niederbayern ein Libretto nach der Erzählung „April. Die Geschichte einer Liebe“ (1925) des aus Galizien stammenden Joseph Roth geschrieben. Nach dem gemeinsamen Erfolg einer Bühnenadaption von Roths „Hiob“ (2014) setzt Tilch für die Vertonung auch diesmal auf den oberösterreichischen Komponisten Peter WesenAuer. Die resultierende Oper kommt jetzt im Fürstbischöflichen Opernhaus Passau zur Uraufführung. Das Resultat ist ein üppiges Melodram mit nur wenigen Zwischentönen.
Der namenlose „Ich“-Protagonist ist weiß an Charakter, Anzug und Stimme. Die eine fassbare Geliebte, Anna, flieht „Ich“ wegen einer anderen fernen, dem Mädchen am Fenster. Letztere könnte alsbald an Schwindsucht und Lähmung sterben, behauptet Anna aus nur zu verständlicher Eifersucht. Die Pläne und Emotionen im launischen Monat sind also wechselhaft, aber „am 28. Mai weiß man bereits, was man will“. So redet es sich „Ich“ ein, gibt Anna den Laufpass und bekommt von seiner neuen Flamme kurz vor der Abreise nach Amerika ein Lächeln. Reinhild Buchmayer singt diese Partie strahlend.
In den Filmen von Florian Rödl kommt neben dem Aufführungsort mit nostalgischen Einstellungen auch New York ins Bild. Der Postdirektor (Edward Leach) und der Kellner Ignatz (Daniel-Erik Biel) erweisen sich dank ihrer Darsteller als außerordentlich wendig, gleichermaßen der Briefträger (Albin Ahl), der Reisende (Matthias Bein) und das gesamte Ensemble. Die Kostüme und das andeutende Bühnenbild halten Charles Cusick Smith und Philip Ronald Daniels in Farbtönen von Erdbraun bis Cognac. Tilch organisiert Abläufe ohne tiefere Beweggründe. WesenAuers Partitur dazu ist durch und durch tonal. Zumeist jauchzt erst ein melodischer Streicherchor, über dem die Stimmen in wohlklangsatten Parallelen ausufern dürfen. Es folgen dann eine synkopische Tangofläche oder ein keck darein fahrendes Trompetensolo.
Apart wirkt zunächst der aus Joachim Vollraths Sprechstimme und Martin Mairingers Tenor zusammengesetzte „Ich“. Mairingers Tongebung ist vorbildlich betreffend gesanglicher Zielstrebigkeit, deutlicher Deklamation und gestischer Gestaltung. Henrike Henoch gibt eine herzensgute Anna mit inniger Lyrik ohne Proletarierinnen-Appeal, später mit hysterisch wirkenden Wortwiederholungen.
WesenAuer kennt die musikalischen Gesetzmäßigkeiten von Film und Theater genau und setzt diese Kenntnis für die Niederbayerische Philharmonie mit eloquentem Können ein. Keine Szene ist zu lang, keine Episodenfigur zu weitschweifig und alle – mit Ausnahme des abreisenden „Ich“ – scheinen sich in der Gemächlichkeit des Milieus bestens zu fühlen. Das Flirrende der Getriebenheit im April bleibt gemütlich. Dem Chor des Landestheaters Niederbayern unter Leitung von R. Florian Daniel und der Statisterie mit der Choreografie von Sunny Prasch gelingt eine sehr synergetische Zusammenarbeit. Das Publikum spendet am Ende großzügigen Applaus.
Roland H. Dippel
„April. Die Geschichte einer Liebe“ (2024) // Oper von Peter WesenAuer
Infos und Termine auf der Website des Landestheaters Niederbayern