„Fin de partie“ ist die einzige Oper von György Kurtág. Der ungarische Komponist (*1926) vertonte hierfür das französische Original von Samuel Becketts Einakter „Endspiel“. Nach einem zähen Entstehungsprozess wurde die Oper 2018 an der Mailänder Scala uraufgeführt. Nach Stationen in Dortmund und Wien bringt jetzt auch die Berliner Staatsoper dieses finster-absurde Musiktheater auf die Bühne. Regie führt Johannes Erath, der bereits in Graz eng mit der neuen Intendantin Elisabeth Sobotka zusammenarbeitete.

In „Fin de partie“ geht es um vier Überlebende einer ungenannten Katastrophe. Bühnenbildner Kaspar Glarner steckt sie in ein winziges vergilbtes Tapetenzimmer mit abgeklebten Fenstern. Hausherr Hamm, der mit Blindenbrille im Rollstuhl sitzt, drangsaliert seinen steifbeinigen Diener Clov. Hamms Eltern Nagg und Nell, die seit einem Tandem-Unfall keine Beine mehr haben, hausen in zwei Mülltonnen.

Während die Dortmunder Inszenierung von Ingo Kerkhof das Publikum quasi mit auf die Opernbühne holte, setzt Johannes Erath auf maximale Distanz. Das Geschehen im Zimmer ist eingerahmt wie eine Postkarte, dann wieder wird die Perspektive verfremdet und verzerrt. So blicken wir mit Naggs Augen aus der Mülltonne, durch einen kreisförmigen Ausschnitt, in den Raum hinein. Derweil wird auf die schwarze Fläche um diesen Ausschnitt herum schattenhaft projiziert, was jenseits der Mülltonne vor sich geht.

Dem intimen Kammerspiel für vier Sänger stellt Kurtág ein 60-köpfiges Orchester gegenüber. Das soll jedoch nicht für opulenten Klangrausch sorgen, sondern beleuchtet den stets verständlichen Text mit fragmentarischen Zwischentönen, schillernden Farben, filigranen Tongespinsten im Pianissimo. Celesta und zwei Knopfakkordeons sorgen für einen Hauch von Zirkus und Varieté. All diese hochkomplexen akustischen Feinheiten kosten Dirigent Alexander Soddy und die Staatskapelle Berlin wirkungsvoll aus. Feingefühl und Expressivität gehen dabei Hand in Hand.

Regisseur Erath liest das zwischen Absurdität und Tragik kippelnde Stück in erster Linie als Komödie. Visuell spektakulär ist am Ende ein umgestürztes Riesenrad, das die gesamte Bühne einnimmt. Clov und Hamm turnen kerngesund in silbernen Glitzeranzügen darauf herum. Im Zeichen des absurden Theaters, das unlogische Szenarien ausdrücklich erlaubt, ist so ein Eingriff durchaus legitim. Die vier Solisten bieten einen großen Abend und meistern fulminant ihre französischen Monologe, die mit unzähligen komplizierten Taktwechseln gespickt sind. Die feinfühlige Personenregie schärft die Charaktere und Interaktionen.

Nuanciert und spannungsreich singt der französische Bassbariton Laurent Naouri die ausufernden Selbstgespräche des in stoischer Würde an seinen Rollstuhl gefesselten Hamm. Bo Skovhus setzt seine enorme Bühnenpräsenz und sein Slapstick-Talent für den clownesken Diener Clov ein. Als Nell sinniert Dalia Schaechter mit mildem Mezzo ihren Erinnerungen und dem Endspiel ihrer Ehe nach. Aus ihrem Mund kommt ein zentraler Satz des Abends: „Nichts ist komischer als das Unglück.“ Stephan Rügamer als Nagg witzelt sich mit seiner mal schneidenden, mal schmeichelnden Tenorstimme durch seine letzten Stunden.

Der ausweglose Überlebenskampf der vier nicht voneinander loskommenden Gestalten wird hier in eine gehörige Portion Galgenhumor verpackt. Dennoch macht sich im Laufe der 100 pausenlosen Minuten immer mehr Beklemmung breit, das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Am Ende sorgen die grandiosen Sängerdarsteller und das funkelnde Orchester für begeisterten Applaus.

Antje Rößler

„Fin de Partie“ (2018) // Oper von György Kurtág

Infos und Termine auf der Website der Staatsoper Unter den Linden