Salzburg / Salzburger Landestheater (April 2025) Wiederentdeckung von Antonio Salieris „Il mondo alla rovescia“
Adam greift zum rotbackigen Apfel – und auch wenn Eva versucht, ihn von diesem folgenschweren Biss ins Obst abzuhalten: Er passiert. Während die ersten Töne von Antonio Salieris Oper „Il mondo alla rovescia“ aus dem Orchestergraben perlen, weist dieses Tableau auf das hin, was die nächsten drei Stunden prägt: Die Geschlechterrollen sind vertauscht. Was vor 230 Jahren bei der Uraufführung durchfiel, sorgt im Salzburger Landestheater schon in den ersten Minuten für wohlwollendes Gelächter.
Damit sich das Publikum zurechtfindet, läuft die Handlung in Kurzfassung über eine Leinwand: Auf einer fernen Insel herrschen die Frauen und erfreuen sich nach Lust und Laune am männlichen Geschlecht. Die Herren der Schöpfung kümmern sich um Haus und Heim. Als zwei Fremde an der Küste stranden, gerät das System ins Wanken. Der europäische Mann, Il Conte, genießt sofort die Annehmlichkeiten eines „nicht“ männlich codierten Lebens, während La Marchesa die Aufmerksamkeit der Männer schmerzlich vermisst. Zu guter Letzt dürfen beide wählen, wie sie leben wollen. Die Dame kehrt zurück in das konventionelle Leben Europas, der Herr bleibt gern auf der Insel, genießt die neue Rolle – und findet die große Liebe.
Was heute im Zusammenleben von Mann und Frau – zumindest in Europa – nicht mehr unvorstellbar scheint, war zu Salieris Zeiten die kühne Idee eines Librettos von Caterino Tommaso Mazzolà. Salieri, ein von Mozart sehr respektierter Zeitgenosse, bietet dem Publikum einen temporeichen musikalischen Strauß aus Duetten, Terzetten, Quartetten und Quintetten. Regisseurin Alexandra Liedtke gelingt es, die Welt auf den Kopf zu stellen, ohne ins Peinliche abzugleiten. Die Szenen wechseln rasant, das Bühnenbild von Philip Rubner zitiert berühmte Gemälde wie Raffaels „Sixtinische Madonna“ oder Leonardos „Mona Lisa“. Die Damen tragen strenge schwarze Uniformen und spielen gern mit Schlagstöcken, die Herren stecken in rosa Bermudas und schleppen Wäschekörbe. Für Heiterkeit sorgt die Nachstellung von Botticellis „Geburt der Venus“: Il Conte präsentiert seinen nackten Oberkörper und lässt sich genüsslich umschmeicheln. Das Sängerensemble – ebenso wie das bestens disponierte Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Carlo Benedetto Cimento – vermittelt sichtbare Spielfreude.
Sopranistin Hazel McBain brilliert mit perlenden Tönen in den zahlreichen Arien ihrer Rolle als La Colonnella. Ihr steht Nicole Lubinger als Marchesa in nichts nach. Als „Barbie“ buhlt sie um den ein wenig weinerlichen „Ken“ Amaranto – brillant verkörpert von Luke Sinclair. Bariton George Humphreys genießt seine verdrehte Rolle als Il Conte und überzeugt auch stimmlich mit so manchem Spitzenton. Ganz in ihrer Rolle als strenge L’Ajutanta Maggiora geht Katie Coventry auf. Grandios: Daniele Macciantelli als La Generala – die einzige Rolle, die tatsächlich das Geschlecht wechselt. Der Bass überzeugt mit hinreißendem Minenspiel. Auch wenn sich die Oper nach der Pause ein wenig in die Länge zieht, bejubelt das Publikum die Mitwirkenden zu Recht für ihre Leistung.
Susanne Dressler
„Il mondo alla rovescia“ („Die verdrehte Welt“) (1795) // Dramma giocoso von Antonio Salieri