Zweieinhalb Stunden höheren Blödsinn verspricht Barrie Kosky in seiner Rede vor der Premiere von Jacques Offenbachs „Großherzogin von Gerolstein“ in der Komischen Oper Berlin. Doch zuvor macht er seiner Enttäuschung in Richtung Politik Luft. Die hat bekanntlich entschieden, alle kulturellen Einrichtungen vorerst zu schließen, weil sie zur Freizeitindustrie gezählt und mit Fitness- oder Nagelstudios gleichgesetzt werden. Dabei wurde in seinem Haus ein solch ausgeklügeltes Hygienekonzept entwickelt – „fünf Sterne“ sei es wert, so Kosky –, dass Infizierungen kaum möglich sein sollten.

Auch seine Offenbach-Inszenierung hat der Regisseur der Corona-Zeit angepasst und den notgedrungenen Abstand künstlerisch verarbeitet. Es gibt keine Ausstattung, das Ballett besteht nur aus einem Tanzquartett, das Orchester aus 18 Musizierenden, der Chor ist ganz gestrichen. Der Clou sind die Kostüme von Klaus Bruns. Die ausladenden Reifröcke und Fatsuits, die er entworfen hat, sind fantasievolle Hingucker und garantieren körperliche Distanz.

Die 1867 komponierte „Großherzogin von Gerolstein“, die zu den erfolgreichsten Operetten Offenbachs zählt, handelt von einer Potentatin, die aus Langeweile einen Krieg anzettelt und dabei willkürliche Entscheidungen trifft. So befördert sie den schmucken Soldaten Fritz, auf den sie ein Auge geworfen hat, kurzerhand zum obersten General. Der ist siegreich, wählt aber am Ende das Bauernmädchen Wanda. Die Großherzogin bleibt allein zurück – und genießt es. So die abgewandelte Schlusspointe von Barrie Kosky, der die Militär- und Obrigkeitssatire als überdrehte Typenkomödie für das Gesangsensemble der Komischen Oper inszeniert hat. Alle Rollen sind sogar doppelt besetzt, weil eine zweite Premiere vorgesehen ist.

Jens Larsen bestätigt als General Bumm seine Qualitäten als bassschwarzer Vollblutkomiker, Alma Sadé ist eine quirlige Wanda, Ivan Turšić ein etwas blasser Fritz. Die Titelpartie hat sich der Bariton Tom Erik Lie als Travestie passgenau zurechtgelegt. Er ist eine Großherzogin von imposanter Statur, agiert humorvoll und ohne Übertreibung. Auch stimmlich macht Lie das prima, dröhnt kein bisschen opernhaft, sondern singt wendig und mit einem Schuss Kabarett. Warum er allerdings den Text weitgehend in seiner Muttersprache Norwegisch vortragen muss, die dann von Baron Puck (Tijl Faveyts), einem der Hofschranzen, übersetzt wird, erschließt sich nicht.

Unter der Leitung von Alevtina Ioffe, kurzfristig für James Gaffigan eingesprungen, erzeugt die reduzierte Instrumententruppe einen entschlackten Offenbach-Sound, auch Tempo und Timing stimmen. Nur klappt es nicht immer mit der Koordination zwischen Orchestergraben und Bühne. Der Abend spart nicht an Gags, er nimmt den Krieg in trashigen Revueszenen und mit viel verstärktem Geballere aus dem Off auf die Schippe. Gleichwohl ist er nicht ganz rund, mancher Witz nutzt sich durch Wiederholung ab und auch an der Aussprache könnte noch gefeilt werden. Gelegenheit zur Optimierung bietet die nach dem Lockdown geplante Wiederaufnahme.

Karin Coper

„La Grande-Duchesse de Gérolstein“ („Die Großherzogin von Gerolstein“) (1867) // Opéra bouffe von Jacques Offenbach