Unter dem Motto „Sehnsucht und Verwandlung“ sind die Montforter Zwischentöne bei der diesjährigen Herbstausgabe erneut an zahlreichen Locations in und um Feldkirch mit ungewohnten Konzertformaten präsent. Sei es mit frühmorgendlichen musikalisch begleiteten Lesungen im Alten Hallenbad, einem etwas anderen Adventsprogramm, bei dem Jazzer Bugge Wesseltoft im Dom über Weihnachtslieder improvisiert, oder bei zahlreichen kleinen Hauskonzerten, für die man sich Künstlerinnen und Künstler in die eigenen vier Wände bestellen kann.

Eine der zentralen Spielstätten ist aber natürlich erneut das Montforthaus, das mit seiner modernistisch geschwungenen Fassade und den transparenten Glasfronten einen interessanten architektonischen Farbtupfer im historischen Stadtkern bildet. Ähnliche Reibungsenergien werden drinnen im großen Saal des Kulturzentrums freigesetzt, wo als eines der Highlights der Herbstausgabe Händels „Il trionfo del Tempo e del Disinganno“ zur Aufführung kommt. Ein Oratorium über den nie endenden Streit zwischen den allegorischen Verkörperungen von Schönheit, Vergnügen, Zeit und Ernüchterung, das andernorts schon öfters zu teils schrillen Bühnenumsetzungen inspirierte.

In Feldkirch treffen da nun Darmsaiten auf digitale Videotechnik, die das virtuose Spiel der Originalklangexperten des Concerto Stella Matutina in gestochen scharfen Bildern einfängt. Denn bei dieser offiziell als „halbszenisch“ deklarierten Produktion sind neben dem Solistenquartett auch die Musikerinnen und Musiker ins Geschehen integriert. Wobei durch diese Interaktion mehr Leben auf der Bühne herrscht als in manch anderer statuarisch gearteter Opernproduktion.

Passend zu den jeweils musikalisch thematisierten Affekten wogen da im Hintergrund Ozeane und Kornfelder im Wind, welkt ein Blumenstrauß im Zeitraffer vor sich hin oder brennt eine Kerze langsam herunter. Verwoben mit live gefilmten Eindrücken aus der Aufführung und gedoppelt auf eine zweite, kleinere Projektionsfläche, die später in der Handlung zum Spiegel der Wahrheit mutiert. Regisseurin Ilka Seifert und der fürs Videodesign verantwortlich zeichnende Folkert Uhde rücken da nicht nur den musikalischen Leiter Alfredo Bernardini in den Fokus, sondern ebenso Konzertmeisterin Maria Kubizek, die auf der Zielgeraden ihre gefühlvollen Soli von einem in die ersten Saalreihen hineinragenden Steg aus beisteuern darf.

Schon zuvor haben die vier Sängerinnen und Sänger immer wieder ihre Spielfläche verlassen, um sich unters Orchester zu mischen. So etwa, als die in flammendem Rot gewandete Sunhae Im zum großen Amüsement des Publikums ungeniert mit dem Mann an der Orgel flirtet. Als Schönheit ist sie kurzfristig für eine erkrankte Kollegin eingesprungen, fügt sich mit ausdrucksstarker Mimik aber dennoch bestens in das szenische Konzept. Wobei sich ihr klarer, instrumental geführter Sopran ideal mit der farbenreichen Stimme von Marine Madelin mischt, die als Vergnügen wiederum mit dem später im „Rinaldo“ recycelten „Lascia la spina“ einen der wohl berühmtesten Händel-Ohrwürmer beisteuert. Ebenso stilsicher Tenor Jan Kobow (Die Zeit) sowie Rupert Enticknap (Die Ernüchterung), der einen warm timbrierten Counter ins Feld führt und damit das homogen besetzte Ensemble abrundet.

Tobias Hell

„Il trionfo del Tempo e del Disinganno“ (1707) // Oratorium von Georg Friedrich Händel