Turboregisseur Herbert Fritsch (71) geht an der Komischen Oper auf Wagners „Fliegenden Holländer“ los. Es wird erwartungsgemäß ein Ausflug auf die hohe (Komödianten-)See. Im wie immer selbst entworfenen, vor allem grün-und-rot-bunten Bühnenguckkasten wird während der Ouvertüre ein Spielzeugsegler im XL-Format von dessen finster entschlossener Mannschaft wild herum geschaukelt. Es bleibt das zentrale Ausstattungsutensil in der dann folgenden Gespenstergeschichte mit überraschend hohem Unterhaltungswert. Am Pult sorgt Dirk Kaftan für musikalischen Seegang. Den man diesmal, ohne einen imaginierten Tropfen Meereswasser, auch sieht. Perfekt choreografiert, bewegt die Musik die Chormannschaften und die Protagonisten so passgenau wie selten.

Bei den stilisierenden Kostümen (Bettina Helmi) dominieren klassische Matrosenuniformen, helles Blau für die Norweger und ihre Bräute und verwaschene Erdfarben für die verrückten Klamotten der Holländer-Zombies. Alles hübsch unterscheidbar, auch wenn Gedränge in der Bühnenkiste herrscht. Der von David Cavelius einstudierte und mit dem Vocalconsort Berlin erweiterte Chor spielt wie immer hinreißend ein Kollektiv aus Individuen.

Die Zombie-Besatzung des Holländers sieht auch so aus – viele mit Frauenklamotten in heruntergekommenem Piraten-Look. Nur ihr Boss (wie auch Senta auf der „anderen“ Seite) fällt aus dem Rahmen. Auch er ist nicht von dieser Welt in seiner lädierten Piraten-Eleganz. Bleiches Gesicht und rotgelockte Haarpracht, doch mit dem Sexappeal eines barocken Popstars. Sein Landgang ist eher ein „Man kann es ja nochmal versuchen“ als pure Verzweiflung. Damit ist der Figur alle Überfrachtung mit der Aura der Verdammnis und Erlösung genommen. Er ist hier wirklich die Hauptfigur, auch weil Fritsch im Grunde seine Perspektive einnimmt.

Günter Papendell liefert mit diesem Holländer ein echtes Meisterstück, aber auch Daniela Köhler ist eine Senta von überragender vokaler und darstellerischer Überzeugungskraft. Stimmlich überstrahlen diese beiden das Ensemble deutlich, glänzen im Auftrumpfen, riskieren auch die leisen Töne. Immerhin darstellerisch halten Caspar Singh (Steuermann), Karolina Gumos (Mary) und der vokal arg bemühte Brenden Gunnell (Erik) mit. Jens Larsen gibt wieder den Erzkomödianten, von seinem Daland bleibt der mit Klunkern behängte Verkäufer seiner Tochter übrig.

Für den Schlussapplaus behält sich der Regisseur wie immer eine persönliche Pointe vor und lässt sich auf einer Schaukel in den Schnürboden entschweben – von wo er in ein begeistert applaudierendes Auditorium blickt.

Dr. Joachim Lange

„Der fliegende Holländer“ (1843) // Romantische Oper von Richard Wagner

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