Berlin / Komische Oper Berlin (Mai 2023) Abschied von der Behrenstraße mit dem Oratorium „Saul“
Die Opern und Oratorien von Georg Friedrich Händel gehören seit Jahrzehnten zum Kernrepertoire der Komischen Oper Berlin. So gesehen ist es nur recht und billig, als letzte Premiere der Spielzeit und vorerst letzte im neobarocken Theatersaal vor seiner umfassenden Renovierung ein Händel-Oratorium zu wählen.
„Saul“ komponierte Händel 1739, den Charakter des Konzertstückes kann es nicht verleugnen. Es als dramatisches Werk auf die Bühne zu bringen, ist kein leichtes Unterfangen. Axel Ranisch, der mit ein paar Filmen eine gewisse Popularität erreicht hat, unternimmt diesen Versuch, ohne aber zu einer überzeugenden Dramaturgie zu finden. Auffällig ist, dass er nie die Tiefe der Bühne nutzt, die teilweise auch mit Kulissen vollgestellt ist, und die handelnden Personen an die Rampe zwingt. Was im zweiten Teil eine silberne Discokugel und riesige Lautsprecher auf der Bühne zu suchen haben, bleibt unklar. Die für ihre Spielfreude und Virtuosität berühmten Chorsolisten des Hauses verdammt Ranisch zu beständigem Fahnenschwenken, dessen optische Wirkung sich durch Wiederholung schnell erschöpft. In der letzten Szene wird viel Theaterblut eingesetzt, auf dem beim Schlussapplaus ein Solist nach dem anderen ausrutscht. In der Summe also eine wenig überzeugende szenische Umsetzung.
Musikalisch fällt die Aufführung deutlich ansprechender aus. Dirigent David Bates, am Haus bereits mit Gluck erfolgreich, verfügt über die straffe Hand, derer es bedarf, um Chor, Solisten und das zum Teil auf Instrumenten der Zeit spielende Orchester zu koordinieren. Das gelingt ihm vortrefflich, schon nach der Pause wird er dafür mit starkem Applaus gefeiert. Bei den Solisten dominieren diesmal eindeutig die Herren. Luca Tittotos schlanker Bariton ist ein überragender Saul, Countertenor Aryeh Nussbaum Cohen erobert das Publikum als David mit betörend schönen Kantilenen, einen guten Kontrast dazu bietet Tenor Rupert Charlesworth als Jonathan. Tansel Akzeybek verleiht dem Hohepriester Würde und Statur. Dagegen fallen Nadja Mchantaf als Michal mit ein wenig spröder Höhe und Penny Sofroniadou mit etwas hartem Sopran doch deutlich ab.
Am Ende wird das ganze Ensemble einschließlich des hervorragend aufspielenden Orchesters frenetisch gefeiert. Regisseur Ranisch übersteht den Abend ebenfalls ohne Missfallenskundgebung, dafür ist seine Inszenierung zu beliebig. Auch Buhs wollen schließlich verdient werden. In den lang anhaltenden Schlussapplaus mischt sich Wehmut. Mindestens acht Jahre sind für die Sanierung und Erweiterung des Hauses veranschlagt, bei der Verlässlichkeit solcher Angaben dauert es wohl deutlich bis in die 2030er Jahre, ehe man wieder auf den roten Plüschsitzen Platz nehmen kann. Bis dahin wird auf alternative Spielstätten ausgewichen.
Peter Sommeregger
„Saul“ (1739) // Oratorium von Georg Friedrich Händel