Interview Iris Steiner

Am 1. Juni 2023 startete Axel Ranischs „Orphea in love“ in den Kinos. Wir berichteten bereits in unserer Ausgabe 06/2022 (November/Dezember) über diese zauberhafte Fusion von Oper und Filmkunst.

Sie singen UND spielen die weibliche Hauptrolle. War Ihnen – als geübter Opernsängerin – vor Beginn der Dreharbeiten bewusst, welche schauspielerischen Fähigkeiten Sie für so ein besonderes Format benötigen? Hatten Sie Unterricht darin, wie man vor einer Kamera agiert? Oder absolvierten Sie neben der Opernschule eine spezielle Schauspielausbildung?
Ich nähere mich einer Opernrolle immer aus der darstellerischen Perspektive, genauso wie ein Schauspieler die Rolle angehen würde. Insofern war es hier nicht anders. Ich habe mich in die Oper verliebt, weil sie meine beiden Leidenschaften – das Spielen und das Singen – vereint. Diese beiden Aspekte sollten niemals zu weit voneinander entfernt sein. Der größte Unterschied in diesem Fall war vielleicht die Freiheit bei der Schaffung meiner Figur. In der Oper spielen wir meistens Heldinnen, die seit Jahrhunderten existieren. Hier aber habe ich die Figur der Nele in engem Austausch mit Drehbuchautor Sönke Andresen und Regisseur Axel Ranisch entwickelt. Ich war begeistert, einige Details einzufügen, die mir sehr am Herzen liegen, wie etwa Neles Herkunft aus Estland. Sehr dankbar bin ich für die Schauspielausbildung, die ich in Tallinn (bei Gerda ­Kordemets) und an der Guildhall School of Music & Drama erhalten habe.

Wissen Sie, warum Axel Ranisch Sie für diese Rolle ausgewählt hat? Haben Sie zuvor schon einmal mit ihm gearbeitet?
Axel lernte ich 2019 kennen, als er an der Bayerischen Staatsoper Tschaikowskis „Iolanta“ inszenierte. Ich sang damals die Titelpartie und wir fanden bei unserer gemeinsamen Arbeit sehr schnell zu einem großartigen gegenseitigen Verständnis. Die Inszenierung wurde später für eine DVD-Veröffentlichung gefilmt und als Axel meine Darstellung durch die Kameralinse sah, sagte er mir, wie überrascht er über meine Detailarbeit sei. Als er für den Film „Orphea in love“ angefragt wurde, wusste er daher sofort, dass er mich für die Hauptrolle wollte. Und natürlich habe ich die Gelegenheit ergriffen, wieder mit ihm zu arbeiten.

Mirjam Mesak (Foto Wilfried Hösl)

Welche Erfahrungen haben Sie während der Dreharbeiten gemacht? Werden diese möglicherweise sogar Ihr künftiges Spiel auf der Opernbühne beeinflussen?
Ich will nicht lügen: Es war die schwerste Aufgabe, vor der ich jemals stand. Der Zeitplan der Dreharbeiten gestaltet sich völlig anders als der Probenplan eines Opernsängers. Wir hatten viele lange Tage und viele nächtliche Drehs. Ich habe auch gemerkt, mit wie viel man auf der Bühne durchkommen kann – ein wenig Räuspern, ein zusätzlicher Schritt nach links oder nach rechts, … Vor der Kamera dagegen muss man absolut genau sein und immer darauf achten, nicht das Blickfeld der Linse zu verlassen. Es ist eine komplett andere Welt! Für die meisten Szenen haben wir aus technischen Gründen den Gesang zuvor mit dem Orchester aufgenommen. Zwar ist der Operngesang aus der Nähe nicht immer schön anzusehen – die Konzentration im Gesicht, die Anspannung all der Gesichtsmuskeln und dann wieder deren Lockerung … Dennoch war es mir extrem wichtig, in meinem Handwerk wahrhaftig zu sein und nicht nur auf synchrone Lippenbewegungen zu achten, sondern tatsächlich zu singen. Am Ende durfte ich erfahren: je größer das Opfer, desto größer der Lohn. Als ich den Film sah, wusste ich, dass er all die harte Arbeit wert war und dass Axel, ich und das gesamte Team stolz auf ihn sein können.

Was, denken Sie, ist besonders an diesem „Opernfilm“, der nicht wirklich ein Opernfilm ist?
Vieles an dem Film ist besonders und nicht immer auf der Leinwand oder der Opernbühne zu erleben. Ich hoffe, dass wir dem Publikum verschiedene Seiten zeigen von dem, was Oper sein kann oder wie ein Opernsänger aussehen kann. Auch als jahrhundertealte Kunst muss Oper nicht immer von unrealistischen Figuren oder „Diven“ vermittelt werden. Es kann ein einfaches Mädchen aus Estland sein, das sich nichts mehr wünscht als zu singen. Ohne zu viel zu verraten, möchte ich sagen, dass nicht alles Schwarzmalerei ist, und Axel hat mit großartiger Raffinesse einige sehr komische Szenen in die Handlung eingestreut.

Was sind Ihre nächsten Pläne? Ein weiterer Film? Oder lieber eine „echte“ Operninszenierung?
Es gibt in der Opernwelt noch so viel für mich zu tun und zu entdecken, dass die Arbeit niemals aufhören wird. Falls jedoch ein weiteres Projekt wie dieser Film auftauchen sollte, würde ich es sicher wieder in Erwägung ziehen. Denn ich habe nur die besten Erinnerungen an diese Zeit!