Das Erfurter Theater wirbt mit dem Konzept „Tosca on Stage“ für seine neue Inszenierung. Es bietet daran zumindest eine passive Zuschauer-Teilnahme, und die 75 Plätze im Bühnenhalbrund sind fast alle besetzt. Diese Zuschauer, die zuvor Einblick in die Bühnentechnik erhalten, sehen die Vorstellung von der Hinterbühne aus und bilden einen Teil der Bühnenkulisse, so die Idee von Regisseur Stephan Witzlinger und Bühnenbildner Hank Irwin Kittel.

Auch in seiner Inszenierung entwickelt Witzlinger eine eigene Sichtweise auf das höchst dramatische Werk. Seine Schlüsselfigur ist der dämonische Scarpia (Máté Sólyom-Nagy), der – selbst mit einigen Ticks behaftet – den satanischen Plan schmiedet, Tosca das Messer zu überlassen, in dem grausamen Wissen, dass er am Ende der tödliche Sieger sein wird. Um diesen dramaturgischen Kniff gestaltet Witzlinger seine auf die Drehbühne gerichtete Regie. Die Ortswechsel übernehmen wenige Gegenstände und der Chor. Alles wird von einer pointierten Lichtregie unterstützt, die diese Fokussierung intensiv ausleuchtet. Witzlinger versteht es, die Charaktere überzeugend herauszuarbeiten, und betreibt eine sehr agile Personenführung. Die Einzel- und Gruppenhandlungen besitzen eine hohe Intensität und ziehen die Zuschauer von beiden Seiten in das Geschehen hinein. Auch die Kostüme von Hank Irwin Kittel unterstreichen die Handlungsstränge intensiv.

Die Sängerinnen und Sänger überzeugen insgesamt mit hoher stimmlicher Qualität. Jérémie Schütz präsentiert einen stimmlich emotional aufwühlenden Cavaradossi, Claire Rutter als Tosca steht ihm stimmlich nicht nach. Beide Gäste singen mit viel Volumen. Als Scarpia betritt Máté Sólyom-Nagy einen dramaturgisch eigenen Weg, den er teils mit sensiblem und teils mit sehr robustem Schauspiel ausfüllt. Gesanglich fehlt ihm manchmal die grausame Konnotation, aber er überzeugt mit seinem „teuflischen Spiel“. Eine echte Freude in der Inszenierung ist Kakhaber Shavidze. Er spielt nicht einen zurückgenommenen und unscheinbaren Küster, sondern glänzt durch freundlich organisierendes Benehmen und amüsiert das Publikum mit seinem verschmitzten Auftritt. Auch Borislav Rashkov als Angelotti und Tristan Blanchet als Spoletta können darstellerisch überzeugen.

Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Clemens Fieguth. Es gelingt ihm, Tempi und Dynamik mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt und den Sängern gut umzusetzen. Zwischen dem Orchester und Tosca gibt es bisweilen Temposchwankungen. Doch das Zusammenspiel mit dem Opernchor des Theaters Erfurt fasziniert das Publikum. Auch der Kinderchor bildet eine spannende Klangfacette im musikalischen Gesamteindruck. Unvergesslich ist das Glockenspiel zu Beginn des dritten Aktes.

Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

„ Tosca“ (1900) // Melodramma von Giacomo Puccini

Infos und Termine auf der Website des Theaters Erfurt