Das Landestheater Detmold hat ausgezeichnete Sängerinnen und Sänger in seinen Reihen. Das ist erneut bei der Uraufführung des neuen Bühnenwerkes von Detlef Heusinger zu erleben. „Die Zeitreisemaschine – Eine Familienoper“ nennt er sein neuestes Opus. Darin entfliehen zwei Kinder (Theresa Kohler und Friedrich Schlieker) per Zeitmaschine dem ewig grantelnden Großvater („Früher war alles besser!“) und landen im Pariser Schlafzimmer von Gioachino Rossini. Dort erleben sie einen Komponisten, der die Lust am Komponieren verloren hat, stattdessen der Lust am Kochen und Essen frönt und sich dauernd mit seiner Frau Isabella und seinem Diener Figaro herumstreitet. Die Kinder stellen fest, dass auch die Menschen der guten alten Zeit unzufrieden sind, und beamen sich enttäuscht in die Gegenwart zurück.

In der Doppelrolle als bettlägeriger Komponist und unzufriedener Großvater ist Stefan Stoll mit seiner warmen, gleichwohl zu dramatischen Ausbrüchen fähigen Stimme eine gute Wahl. Emily Dorn spielt die Isabella und die Mutter der Kinder. Sie zeigt vor allem als Rossinis quirlige Gattin bewegliche Koloraturen und eine in allen Registern durchgearbeitete, frei strömende Tongebung. Ihr zur Seite steht der strahlende Tenor von Stephen Chambers als stets am Rande der Verzweiflung agierender Diener und als Papa der beiden Kinder. Alle drei finden an mehreren Stellen der Oper zu kunstvoll komponierten Terzetten mit einem guten Gefühl fürs Ensemblesingen zusammen. Aber ihre sängerischen Qualitäten können den Abend nicht retten.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist bei allem Wohlklang der Stimmen fast durchgängig nicht zu verstehen, wovon gesungen wird.  Zum anderen muss das Ensemble mit einer Musik fertig werden, deren Stilrichtung unklar bleibt und die sich dramaturgisch gesehen bis auf wenige Momente nicht recht vom Fleck bewegt. Auch die angekündigte Zuordnung elektronischer Klänge und live gespielter Orchestermusik will sich im Saal nicht differenziert einstellen. Die beiden Zeitreisen der Kinder in die Vergangenheit und zurück in die Gegenwart, dargestellt in einer Großprojektion drehender Wolkenfelder, wollen einfach nicht enden. Und dass die beiden Kinder für den Rückflug als Code ausgerechnet Martin Luthers Choral „Vater unser im Himmelreich“ in ihre Zeitmaschine eingeben sollen, ist ein inhaltlich kurioser Querschläger, wenn auch der Kinderchor des Theaters, verstärkt durch Damen des Opernchores, stimmschön singt.

Detlef Heusinger ist nicht nur der Komponist, sondern übernimmt auch die Regie und die Gestaltung des Bühnenbildes. Dabei gelingen bei der Interaktion zwischen Rossini, seiner Frau und dem Diener durch puppenhaft ruckende Bewegungsabläufe einige interessante surreale Abläufe. Das aber wird nicht durchgehalten und die Szene rutscht weg in normale Interaktionen, bei denen die Personenführung unbearbeitet wirkt. Das gilt besonders dann, wenn nur gesprochen wird. Allerdings bieten die Dialoge auch nicht viel Deutungstiefe für eine nuancenreiche Darstellung an.

Beim Finale geht es dann plötzlich mit groovendem Musical-Sound musikalisch zur Sache, wobei die arg individuellen tänzerischen Einlagen des Ensembles durchaus einen Choreografen-Blick vertragen hätten. Ob sich dieses Werk als Familienoper bewähren kann, wie im Titel versprochen wird, sei infrage gestellt. Zumal sich zwischendurch auch Langeweile einstellt, was im Theater niemals geschehen sollte.

Claus-Ulrich Heinke

„Die Zeitreisemaschine“ (2022) // Familienoper von Detlef Heusinger

Infos und Termine:
-> Landestheater Detmold (bis 13. März 2022)
-> Bregenzer Festspiele (Kooperationspartner, 12. und 13. Mai 2022)