Weltgeschichte trifft auf Doppeljubiläum! Im Jahr 1625 begann Hans Ulrich, der erste Fürst von Eggenberg, mit dem Bau seiner Residenz in der Steiermark und sendete damit auch eine Botschaft an die Welt, die heute von Relevanz ist. Schloss Eggenberg sollte ein Gegenentwurf zum äußeren Chaos des Dreißigjährigen Kriegs sein, architektonisch raffiniert errichtet als Abbild der kosmischen Zahlen-Harmonik: 365 Fenster und 24 Prunkräume sind dort ringförmig um vier Außenflügel angeordnet.

Die 400-jährige Aura dieses Ortes, Draghis „Hochzeits-Oper“ und die sehenswerte, weil überaus kreativ gestaltete Ausstellung „Ambition & Illusion“ fügen sich in Eggenberg zum sinnlichen Gesamtpaket. Bis Anfang November nimmt die Schau in einer inspirierenden Verbindung von kostbaren Kunstwerken und fürstlichen Räumen mit neuen Medien und alter Musik die Besucher für sich ein. Als ambitioniertes Musiktheater-Projekt schmiegt sich die kunterbunte Wiederbelebung von Antonio Draghis „Gl’incantesimi disciolti“ als Auftakt in das bemerkenswert vielseitige Programm der diesjährigen Styriarte, die seit 40 Jahren in und um Graz ansprechende Kulturformate präsentiert.

Mit der Hochzeit von Kaiser Leopold I. mit Claudia Felicitas von Tirol, der man das Schloss Eggenberg als Aufenthaltsort zugefügt hatte, fand in Graz de facto Weltgeschichte statt. Draghi und Librettist Nicolò Minato (ver)packten die zuvor stattgefundenen Intrigen, die sich um die alles – nämlich den Fortbestand des Habsburger Hauses – entscheidende Brautwahl entsponnen hatten, in ihr höfisches Allegorien-Spiel. Auf breite Zustimmung dürften auch heute Verse wie diese treffen: „Monster, verschwindet, verschwindet. Gegen das Gute könnt ihr nicht siegen, wie man verkündet.“

Der mit „Aufgelöste Zaubereyen“ übersetzbare Titel der Barockoper wurde in „Das verwunschene Glück“ umgedichtet. Dazu hat Styriarte-Dramaturg Thomas Höft ein neues und deutsch gesungenes Libretto erstellt. Die musikalisch eher kontrastarme Oper ist lediglich als Particell erhalten. Daher ergänzte man die Partitur geschickt mit Werken von u.a. Biber, Rittler und Giovanni Valentini sowie einem von Michael Hell kenntnisreich komplettierten Orchestersatz. Seine Expertise für historische Aufführungspraxis macht er vom Cembalo aus samt Highlight-Flötensoli als charismatischer Leiter des Ensembles „Ārt House 17“ transparent. Elegant und klanglich differenziert begleitet das Orchester das szenische Geschehen, das sich auf einer eng bemessenen Bühnenfläche entsprechend reduziert bis zum erwartbaren Happy End entfaltet. Endlich kann sich die „Zuneigung“ mit dem „Glück“ vermählen, sind Selbstsucht, Lügen und Neid in die Schranken verwiesen.

Als Mini-Kollektiv überaus präsent und raumeinnehmend agieren die vier Tänzerinnen Mareike Franz (Choreografie), Anca Huma, Klara Beyeler und Anne-Marie Warburton. Sie kommentieren und übersetzen all die in Arien und Rezitativen verbalisierten Emotionen, Intentionen und Motivationen der allegorischen Figuren in eine leicht verständliche Körpersprache, führen schrill ausstaffierte Puppen, interagieren oder „konkurrieren“ mit den sechs Sängerinnen und Sängern um die besten Podestplätze. Angenehm im Ohr bleiben neben Tenor Julian Habermann (Die Zuneigung) insbesondere die Sopranistinnen Sophie Daneman (Die Lüge) und Johanna Rosa Falkinger als „Glück“ sowie Anna Manske mit ihrem wandlungsfähigem Mezzo, der kalten „Neid“ ebenso wie die zur finalen Ordnung rufende „Vernunft“ ausmodelliert.

Anders als bei ihrer Uraufführung im Jahr 1673 findet die Barockoper nicht als Open Air im Park, sondern im sommerlich aufgeheizten, prunkvollen Ambiente des „Planetensaals“ statt. Hier wäre vielleicht das berühmte Weniger doch Mehr gewesen, um eine unnötige visuelle Überfrachtung zu vermeiden.

Renate Baumiller-Guggenberger

„Gl’incantesimi disciolti“ („Das verwunschene Glück“) (1673) // Oper von Antonio Draghi, ergänzt mit Werken von A. Bertali, H. I. F. Biber, P. J. Rittler, J. H. Schmelzler und G. Valentini; im Orchestersatz komplettiert von Michael Hell; deutsche Fassung von Thomas Höft