Zürich / Opernhaus Zürich (September 2025) Opulente „Bridgerton“-Ästhetik für den „Rosenkavalier“
Die Besetzung liest sich wie das „Best-of“ der aktuell verfügbaren Rollenprotagonisten, mit Joana Mallwitz steht eine der gefragtesten jungen Dirigentinnen am Pult des Orchesters der Oper Zürich: Keine Frage, Matthias Schulz setzt mit Richard Strauss’ „Rosenkavalier“ gleich zu Beginn seiner Intendanz ein schillerndes Glanzlicht.
Und in diesem Fall ist die Spitzenbesetzung wahrlich kein Luxus: Mallwitz’ temporeiche Interpretation verlangt vom routinierten Ensemble nicht selten halsbrecherische Wortakrobatik. Das bekommt vor allem Baron Ochs alias Günther Groissböck im ersten Akt zu spüren, dem für seine konversationsreiche Paraderolle buchstäblich wenig „Luft zum Atmen“ bleibt. Dass er trotz zungenbrecherischem Einsatz präzise textverständlich ist und bis hin zum Tête-à-Tête mit Mariandl im SM-Studio (dritter Aufzug) sogar noch mit komödiantischem Talent darstellerische Höhepunkte setzen kann, beweist seine Klasse.
Diana Damrau als Marschallin liefert eine Art Kontrapunkt dazu, sie versteht es meisterhaft, inmitten von optischer und musikalischer Hyper-Opulenz ihre lyrischen, tragischen und nachdenklichen Momente stimmlich voll auszukosten. Etwas, das Mallwitz’ rasanter Lesart nach anfänglicher Hör-Irritation einen spannenden, neuen Schwung verleiht. Die innerliche Wandlung der Marschallin bildet dann auch das psychologische Zentrum dieses allgegenwärtig ver(sinn)bildlichten Vanitas-Effekts von Gottfried Helnwein. Sein opulentes Kostüm- und Bühnenbild zeigt barockes Lebensgefühl zwischen übertriebenem Glamour und lächerlicher Farce.
Musikalisch gipfelt die Strauss’sche Fülle vor allem im Liebesduett von Octavian und Sophie sowie im finalen Terzett – hier nimmt sich das optische Geschehen merklich zurück, puristisches Hellblau oder eine abgedunkelte Sternenhimmel-Kulisse genügen. Für Lydia Steier, die eine Produktion der Los Angeles Opera aus dem Jahr 2005 neu inszenierte, liegt der Fokus in erster Linie auf lebendigerer Personenregie – mit Erfolg. Sie trifft den richtigen Ton und jongliert die Protagonisten gekonnt inmitten dieser unkontrollierbaren Welt aus überbordend-opulenter Musik, phantastischer Wollust und inhaltlichem Wahnsinn. Und sie setzt Akzente: Während Angela Browers Octavian sich darstellerisch vom störrischen Rosen-Überbringer zum mitleidenden, jugendlichen Liebhaber entwickeln darf – ihre sängerischen Qualitäten sind die Überraschung des Abends –, ist die US-Amerikanerin Emily Pogorelc bei Steier eine freche, selbstbewusste und entgegen der üblichen Rollentradition sogar aufmüpfige Sophie. Dass sie das mit mädchenhaftem, klarem Sopran tut, passt zu dieser vor Kontroversen strotzenden Produktion. Bo Skovhus als Faninal bleibt dagegen insgesamt etwas blass, was aber nicht weiter tragisch ist.
Das Konzept geht auf, die Geschichte balanciert gekonnt überspitzt bis an den Rand der Persiflage, ohne ins Oberflächliche abzudriften. Wer die US-Netflix-Serie „Bridgerton“ kennt, wird sich in dieser Ästhetik übrigens wie zu Hause fühlen.
Iris Steiner
„Der Rosenkavalier“ (1911) // Komödie für Musik von Richard Strauss