Bayreuth / Bayreuth Baroque Opera Festival (September 2025) Sinnlicher Genuss mit Cavallis „Pompeo Magno“
Über allem glänzt der Markuslöwe von Venedig und womöglich ging es genauso zu im Venedig des 17. Jahrhunderts oder Caesars Rom. Ziemlich sicher jedoch waren Barockopern zur Entstehungszeit so üppig und wirr, so leidenschaftlich und schrill wie zur Premiere von Bayreuth Baroque. Max Emanuel Cenčić als Künstlerischer Leiter setzt mit der gänzlich unbekannten Oper „Pompeo Magno“ von Francesco Cavalli ein schillerndes Spiel der Leidenschaften brillant um.
Die Sänger schmachten und leiden, tauchen ein in die Tiefe menschlicher Gefühle fast wie in einem antiken Drama. Am Ende löst Amor lässig sämtliche Krisen und Wirrungen auf und lässt Darsteller wie Publikum in seligem Glück zurück. Barockopern sind immer noch eine Nische, die Fans reisen aus ganz Europa an. Francesco Cavallis „Pompeo Magno“ wurde 1666 in Venedig uraufgeführt und geriet nahezu in Vergessenheit. Keine CD ermöglichte eine Vorbereitung, doch alle Gäste in der ausverkauften Premiere erleben eine große Opern-Sternstunde.
Die neun kleinwüchsigen Darsteller verschmelzen bald zu einer frechen Einheit mit Theater, Sängern und Kulissen. Es ist viel los auf der Bühne, Licht und Ausstattung fügen sich zu einem Gesamtkunstwerk. Die Bühne wirkt wie ein barockes Gemälde, das perfekt harmoniert mit dem Welterbe-Theater. Das Markgräfliche Opernhaus eignet sich optisch wie akustisch ausgezeichnet für das Stück. Erbaut ab 1744, überdauerte das spätbarocke Juwel die Jahrhunderte. Das ganz aus Holz gefertigte Opernhaus garantiert bis heute außergewöhnlichen Hörgenuss.
Gleich sieben Countertenöre ermöglichen eine Zeitreise in die Klangwelten des 17. Jahrhunderts. Regisseur Cenčić singt selbst den Pompeo, er ermutigt das gesamte Ensemble zu ganz großen Schauspielgesten. Die Sänger nutzen sogar die Seitenlogen und transportieren das Geschehen damit mitten ins Publikum. Es geht um Feldherren, Rache und Kriege im alten Rom, um Pompeo und Mitridate, aber auch und vor allem um echte und verschmähte Liebe, um Enttäuschung, Treue und Verwechslung. Gelegentlich wird es lüstern und derb, dann wieder sinnlich und ganz zart. Bunte, glänzende Roben aller Sänger und Darsteller sorgen für optischen Genuss. Denen ist die Sang- und Spielfreude im dreistündigen Stück in jeder Minute anzumerken.
Schnell geraten die Übertitel in deutscher und englischer Sprache zur ignorierten und überflüssigen Nebensache. Zu verschachtelt sind die Texte, dafür die Musik umso aussagekräftiger. Die Cappella Mediterranea unter Leitung von Leonardo García-Alarcón begeistert mit klarer Begleitung und erntet jubelnden Extra-Applaus. Das Experiment gelingt: Max Emanuel Cenčić sorgt mit „Pompeo Magno“ für Exzellenz am Barockopernhimmel.
Claudia Erdenreich
„Pompeo Magno“ (1666) // Dramma per musica von Francesco Cavalli
Infos und Termine auf der Website des Bayreuth Baroque Opera Festivals
