Düsternis, aufsteigender Nebel und zwielichtige Stimmung. Im Halbdunkel der mystisch-archaischen Felsenreitschule sind vor dem Hintergrund riesiger Kupferwände schemenhaft schwarz gekleidete Gestalten zu sehen. Sie werden in den einzelnen Szenen Zeugen und Mittäter destruktiver Machenschaften um egomanes Ringen nach Macht: Die Premiere der Verdi-Oper „Macbeth“ am Salzburger Landestheater ist ein rauschender Erfolg voller beklemmender Intensitäten.

Auf der Bühne waten die Protagonisten strauchelnd durch schwarzbraunen Morast: Machtbesessenheit vernebelt die Sinne und ist in der Nähe von Wahnsinn anzusiedeln. Da versinkt man leicht mal im moorig-dreckigen Terrain, selbst mit Gummistiefeln. Schon der erste Blick auf Alexander Müller-Elmaus atemberaubende Bühne macht genau das offenbar. Der Wahnsinn hat vielerlei Gestalt, ist geschlechtslos und taktiert in hübsch-hässlichem Gewand. Etwaige „Kollateralschäden“ auf dem Weg nach oben tangieren nicht.

Verdis Opernthriller „Macbeth“ um den schottischen König, der zusammen mit seiner machtgierigen Lady die Herrschaft mit skrupelloser Radikalität gewaltvoll an sich reißt und letztlich im Verderben landet, ist nicht gerade ein Stimmungsaufheller. Und die Komposition, seine einzige Vertonung eines Shakespeares-Stoffs, soll „Musik mit Drama verschmelzen“ und dabei unbedingt dem großen Dramatiker mit „etwas jenseits des Gewöhnlichen“ gerecht werden. So lässt sich auch die Inszenierung von Amélie Niermeyer im Kurztext beschreiben: Mit kunstvoll-inszenatorischem Handgriff destilliert sie die Essenz, schafft eine Opernproduktion, die sich vom „Gewöhnlichen“ weit abhebt und mit ungewöhnlicher Wucht das umsetzt, was hinter Shakespeares Drama steht.

Blut aus vorausgegangenen Schlachten klebt schon in der ersten Szene an Macbeths Händen. Doch das ist nur der Anfang. Die Weissagung der Hexen, unheimliche Erscheinungen von blondhaarigen Kinder-Gestalten und Königsmord – es ist ein morbides Treiben und blutrünstiges Morden. „Der Weg zur Macht ist voller Verbrechen“, heißt es. Das „Hände in Unschuld waschen“ entartet zum Waschzwang. Ein Mordsspektakel in beeindruckenden Bildern lässt das Premierenpublikum des Schauens und Grausens nicht satt werden.

Simon Neal gestaltet die Titelrolle mit starkem Gespür für emotionale Zwischentöne, rüstet Macbeth mit Machtgier, Verstörtheit, Gebrochenheit und Obsessivem aus und kann stimmlich voll überzeugen. Kraftstrotzend und knallhart zielorientiert verkörpert Annemarie Kremer die Lady Macbeth. Ihre Stimme – voluminös, in den Höhen stählern, in den Tiefen bedrohlich – hat ein zu teuflischen Tönungen fähiges Timbre. In exzellenter Besetzung und gesanglich brillant tragen auch die übrigen Solisten zum musikalischen Gesamteindruck bei: Raimundas Juzuitis als Banco, Luke Sinclair als Macduff und Chong Sun als Malcolm. Als phantastisch bereicherndes Extra sei auch die Chor-Inszenierung gelobt: In klug gestellten Massenszenen produziert sie Schauer-Momente, in denen Geister- und Hexenwesen räkelnd, robbend, schreitend oder in stilisierter Geste applaudierend zum morbiden Geschehen beitragen, ohne dabei Präzision und Flexibilität im Gesang einzubüßen.

Am Pult steht, krankheitsbedingt für Leslie Suganandarajah eingesprungen, Gabriel Venzago und beweist ein enormes Gespür für Verdis martialisch-düstere Partitur. Das Mozarteumorchester Salzburg und der Chor des Salzburger Landestheaters folgen seinem eindringlichen Dirigat mit Verve. Zum Schluss hilft nur noch eines, um sich der Opern-Begeisterung Luft zu verschaffen: Klatschen, bis die Hände kribbeln – genau das tut das Salzburger Publikum dann auch.

Kirsten Benekam

„Macbeth“ (1847) // Melodramma von Giuseppe Verdi