Widriger hätten die Umstände kaum sein können: zuerst die wieder aufflammende Corona-Epidemie, die auch zu einigen Absagen im Ensemble führte, dann verstarb kurz vor der Premiere auch noch der Regisseur. Trotzdem fand die Uraufführung von Anton Urspruchs Oper „Die heilige Cäcilia“ in der Gebläsehalle der Henrichshütte in Hattingen statt. Zehn Jahre lang hatte Regisseur, Intendant und Publizist Peter P. Pachl daran gearbeitet. Doch kurz nach Beginn der Proben erkrankte er schwer und verstarb sehr plötzlich am 15. November 2021 im Alter von 68 Jahren. Die Aufführung wurde zu seinem Vermächtnis.

„Unmögliches möglich machen“, das war der Leitspruch Pachls, der sich mit seinem „pianopianissimo musiktheater“ mit Vorliebe seltenen Opernraritäten wie etwa Siegfried Wagners „Sonnenflammen“ widmete. Als musikalisches „Trüffelschwein“ war er bekannt, als „Verführer und Ermöglicher“ wurde er trotz mancher Kritik geschätzt. „Sein Verlust wird in der ganzen Opernwelt zu spüren sein“, resümierte der Musikpublizist Norman Lebrecht in seinem Blog.

2011 hatte Pachl bereits Urspruchs Oper „Das Unmöglichste von Allem“ auf die Bühnenbretter gebracht. Danach entdeckte er dessen Oper über die Heilige Cäcilia, die dieser um das Jahr 1900 begonnen hatte. Als Urspruch im Januar 1907 starb, war nur der erste Akt fertig komponiert und orchestriert. Die weiteren Teile der Oper lagen lediglich in Form eines Klavierauszuges vor. Der Düsseldorfer Musikwissenschaftler und Kirchenmusiker Ulrich Leykam stellte die vieraktige Oper anhand dieses Materials fertig und übernahm nun bei den Aufführungen die musikalische Leitung.

Die Regie in den Endproben lag nach Pachls Tod in den Händen des jungen chinesischen Regisseurs Chang Tang. Er musste das Konzept völlig umstellen und den neuen Gegebenheiten anpassen. Das Ergebnis könnte man am ehesten als halbszenisch beschreiben, aber angesichts der ebenso komplizierten wie tragischen Vorgeschichte der Produktion verbietet sich ein Urteil hierüber. Die sängerischen Leistungen sind teilweise ausgezeichnet, hervorzuheben hier insbesondere zwei Namen: Uli Bützer als Präfekt und Marie-Luise Reinhard als Witwe.

Das Orchester ist in Form des Bayreuth Digital Orchestra – im Übrigen auch eine Initiative des unermüdlichen Pachl – nur virtuell zugegen. Eine Notlösung, die dieses Projekt allerdings überhaupt erst realisierbar machte. Zwar klingt das mittels der Notationssoftware Sibelius generierte Orchester nicht so sonor wie ein originales, der grundsätzlichen Qualität der in spätromantischer Üppigkeit schwelgenden und stilistisch zwischen Wagner und Humperdinck angesiedelten Musik Urspruchs tut dies aber keinen Abbruch.

Insgesamt kann man froh sein, dass es Urspruchs Stück endlich auf eine Bühne geschafft hat. Zu wünschen wäre ihm freilich ein großes Opernhaus, ein reales Orchester und eine nicht unter solch schweren Bedingungen zustande gekommene Produktion. Die Musik des 1850 in Frankfurt als Enkel eines jüdischen Kantors geborenen Urspruch, der immerhin ein erklärter Lieblingsschüler von Franz Liszt war, würde es durchaus lohnen.

Guido Krawinkel

„Die heilige Cäcilia“ (2021 szenisch posthum uraufgeführt) // Oper von Anton Urspruch (1850-1907), vervollständigt von Ulrich Leykam