Wut, Ärger, Ohnmacht, Kopfschütteln … und nach fast zwei Jahren eine Art Resignation.

… weil ungehört bleibt, wenn Kulturschaffende immer wieder erklären, dass es um mehr geht als um finanzielles Überleben.
… weil die Politik trotz zahlreicher Gegenbeweise auch weiterhin unsere Kulturtempel zu Ansteckungs-Hotspots degradiert.
… weil es so aussieht, als hätten Kunst und Kultur keine Lobby in unseren hochentwickelten, reichen Ländern.

Absurde einschlägige „Fakten“ wurden hinlänglich kommuniziert – und täglich kommen neue hinzu. Die Verständigung zwischen Politik und Kultur dümpelt in hilflosen Attitüden vor sich hin. Ergebnis: sinnlose Verschwendung von Steuergeldern bei hochsubventionierten Staatsbetrieben auf der einen, massenhafte Veranstalterpleiten und Abwanderung von Fachkräften auf der anderen Seite. Dass es im Vergleich zum letzten Winter kein ausgesprochenes „Verbot“ für Kulturveranstaltungen gibt und stattdessen mit untragbaren Auflagen wirtschaftliche Unmöglichkeiten gefordert werden, macht die Sache nicht besser. Was bleibt, ist das ungläubige Erstaunen der Branche über unsere relativ beratungsresistente politische Führung, die insgesamt wenig Interesse zeigt, den großen Wirtschafts- und Standortfaktor Kreativwirtschaft angemessen durch ­diese Pandemie zu führen. Oder fehlt es einfach an einer gemeinsamen Lobby, die genügend Druck ausübt?

„Den Vorhang zu und alle Fragen offen“, könnte man passenderweise Bertolt Brecht bemühen. Dazu die eine ­Frage, die uns alle umtreibt: Wann hört das endlich auf? Und immer mehr auch: Werden wir „danach“ noch die vielfältige Kultur- und Kunstlandschaft haben, die vor Kurzem für einen UNESCO-Welterbe-Titel nominiert wurde?

Seit Anfang 2020 findet Kultur in „dazwischenwelten“ statt: zwischen Planungschaos und Lockdown, zwischen Trotz und Enttäuschung, zwischen Existenzangst und Selbstzweifeln und mit der (erschreckenden!) Erkenntnis, dass wir offensichtlich zu selbstverständlich von ­einem gesellschaftlichen Konsens über die Relevanz der Kultur ausgegangen sind.

Solche „dazwischenwelten“ machen Angst und schüren Ohnmacht. Es gilt, Komfortzonen zu verlassen und ­Sicherheiten aufzugeben. Dass Kunst ohnehin nicht in erster Linie für materielle Besitzstände lebt, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden. Allerdings reden wir jetzt, im Jahr 2021, über eine beispiellose wirtschaftliche und seelische Perspektivlosigkeit unseres Kulturbetriebs. Ein „zwischen allen Stühlen sitzen“ mit Konsequenzen, die man durchaus hätte vermeiden können. Studien und Fachleute bemühen sich seit vielen Monaten meist erfolglos darum, von der Politik auch nur angehört zu werden. Deren einseitig beschlossene ­»Maßnahmen“ gehen viel zu oft am Thema vorbei oder sind unzureichend. Ein Schlag ins Gesicht freischaffender Künstlerinnen und Künstler, die – auf staatliche Hilfen reduziert – mehr und mehr ihren Selbstwert und den Platz in der Gesellschaft verlieren.

Aber: Es gibt auch eine andere Perspektive unserer ­„dazwischenwelten“. Müde und zermürbt stellen wir langsam fest, dass die ungeliebte Situation nicht von selbst und auch nicht durch ein Wundermittel schnell wieder verschwindet. Es bleibt: die Flucht in eine lohnenswertere ­Alternative. Wir brauchen dringend das sprichwörtlich halbvolle statt halbleere Glas, mehr Kreativität im Umgang mit unserem Alltag. Reden wir von Gestaltungsfreiheit statt Planungschaos, von Mut statt Trotz, von neuen Ideen statt Selbstzweifeln. Wo sonst lassen sich positive und wegweisende Inspirationen finden, wenn nicht in Kunst und Kultur? Und wie deutlich werden wir die Folgen dieser Degradierung hin zur reinen Freizeitgestaltung erst bemerken, wenn man ihre soziale Relevanz weiterhin ignoriert? Erfahrungsgemäß haben Unsicherheiten immer auch Raum für Neues eröffnet, Möglichkeiten zum Umdenken und Chancen für Verbesserungen geboten.

Natürlich heißt das nicht, dass ­wochen- und bundeslandweise ­geschlossene und geöffnete Theater, drohende und vollzogene ­Lockdowns, unterschiedliche Zugangsvorgaben und das damit verbundene Durcheinander irgendwie schön zu reden wären.

Auch unsere Redaktion hat leider erneut entschieden, statt einer ausführlichen Print- nur eine abgespeckte Digitalausgabe 01/2022 zu veröffentlichen. Das hat zum einen wirtschaftliche Gründe – ­mangels Planbarkeit ist das Gesamtrisiko einfach zu hoch – zum anderen durchaus auch einen gewissen „Protestcharakter“: Unsere Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft ist in einem katastrophalen Zustand, der nicht mehr hinnehmbar ist. Wenn wir weiter so tun, als wäre alles in Ordnung, wird sich nichts ändern. Erfahrungsgemäß wird auch unser Protest – wie viele andere – übersehen und nicht weiter beachtet. Nichtsdestotrotz halten wir ihn im Sinne der Sache für alter­na­tivlos.

Iris Steiner
im Namen der „orpheus“-Redaktion