Konstanz / RathausOper Konstanz (August 2022) Rossinis „Gelegenheit macht Diebe“ versprüht komödiantische Leidenschaft
Die RathausOper Konstanz feiert in der farbenfrohen Inszenierung von Daniel Grünauer die Premiere von Rossinis Komischer Oper „Gelegenheit macht Diebe“ und trifft damit ins Schwarze. Natürlich ist es schade, dass ausgerechnet die Premiere wetterbedingt nicht im wunderschönen Open-Air-Ambiente des Rathaus-Innenhofes stattfinden kann. Doch auch die Spiegelhalle am Konstanzer Hafen bietet hinreichend Gelegenheit, das Publikum mit dem turbulenten Fall eines dreisten Identitäts-Diebstahls zu konfrontieren, der allerhand Täuschungsmanöver und trickbetrügerische Volten nach sich zieht, der munter Konventionen und Rollenklischees entkräftet, der Romantik und Begierde sowie Vor- und Nachteile arrangierter Ehen und Risiken einer Liebesheirat präsentiert. Harmonisch fügte sich am Ende alles, betört „Gelegenheit macht Diebe“ als große Kunst des kleinen, aber komödiantisch fein inszenierten Musiktheaterformats.
Man glaubt es kaum, dass Gioachino Rossini seine „Farsa“ (im italienischen Original „L’occasione fa il ladro“) in nur elf Tagen komponiert hat. Und was zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Gunst der Theaterliebhaber weit oben rangiert, unterhält auch im Jahr 2022 auf hohem Niveau. Wie versiert Rossini als Opernkomponist ist, weiß man; und doch überraschen die Frische, der Elan und die Leidenschaft, freut man sich an der beschwingten, kontrastreichen Partitur des Einakters, der bei aller Vorhersehbarkeit der Handlung über hinreichend Tiefe verfügt, um die agierenden „Typen“ (Libretto von Luigi Prividali) feinzeichnend und zeitlos wiedererkennbar musikalisch zu charakterisieren. So versprüht diese Produktion Wonne und wahrlich „diebische“ Theaterfreude.
Mit Spiel- und Bewegungsfreude brilliert das sechsköpfige Ensemble, in dem die Sopranistin Andrea Suter ihre Berenice souverän durch die emotionale Gemengelage navigiert und in vokalen Silberglanz hüllt, Nicola Ziccardi sich im Bariton-Brustton dem maskulinen Draufgängertum widmet, Cristian Camino (mit anfangs kleinen Unsicherheiten) lyrische Innigkeit spiegelt und Matias Bocchio als loyaler Diener mimisch und auch singend für den Durchblick sorgt, der Onkel Don Eusebio (Roberto Gionfriddo in bester Buffomanier) angesichts des Paare-Chaos abhandenkommt. Verführerisch und emotional ausgeglichen formt María Reina Navarro Crespo die Figur der Zofe Ernestina. Gekonnt auch der schauspielerische Umgang mit den ins Deutsche übertragenen Rezitativen, die clever die Verständnisbrücke für die Italienisch gesungenen Arienpassagen bauen. Ausdrucksstark lassen sich die Akteure auf die augenzwinkernde Regie-Gangart ein, die Daniel Grünauer mit dem Gespür für richtiges Timing und balancierte Dosierung zwischen Klamauk und Ernsthaftigkeit gewählt hat. Prägnant unterstützt wird er dabei von seinem Ausstatter Joachim Steiner mit genialer Kostümwahl sowie dem musikalischen Leiter Eckart Manke, der das klanglich transparente Kammerorchester der RathausOper Konstanz als takt- und gefühlvolle Sängerbegleitung leuchten lässt.
Renate Baumiller-Guggenberger
„L’occasione fa il ladro“ („Gelegenheit macht Diebe“) (1812) // Farsa von Gioachino Rossini