Das vor 221 Jahren eröffnete Theater an der Wien (wo Uraufführungen wie „Fidelio“ und „Die Fledermaus“ erfolgten) muss generalsaniert werden und so findet die erste große Opernpremiere unter Neo-Intendant Stefan Herheim (und mit dem neuen Titel „MusikTheater an der Wien“) im Ausweichstandort Museumsquartier vor 800 Zuschauern statt.

Der Norweger übernimmt auch die Regie und möchte am Beginn eine Theaterwerkstatt zeigen, wo Illusionen auf die Bühne gebracht werden, um den Zauber des Theaters einzufangen. Sänger und Tänzer sind Handwerker, die Leoš Janáčeks Geist zum Leben erwecken und für Verwandlungskraft stehen. Als die blaue Libelle zu den Klängen eines mährischen Walzers durch die Waldluft schwirrt, beginnt der Kampf in der Tier- und Menschenwelt als gleichberechtigte Figuren, die sich immer wieder zwischen Traum und Wirklichkeit verschmelzen. So wird das strahlend schöne, geheimnisvolle Zigeunermädchen Terynka, das die alternden Männer des Stücks hoffnungslos begehren und bei welchem sie sich ihrer eigenen Vergänglichkeit bewusstwerden, stets mit unschuldigem weißem Schleier und einem Fuchsschwanz dargestellt. Die Regie zeigt aber auch den Kampf der Geschlechter brutal auf, wenn der stolzierende Hahn (Ya-Chung Huang mit kräftigem Tenor) als Macho seine Hennen zu mehr Leistung (an Nähmaschinen) antreibt. Durch die Füchsin und Frauen mit scheinbar nackten Oberkörpern – mit tschechischen Botschaften auf den hautfarbenen Shirts – landet der frauenfeindliche Gockel ebenso in der Mülltonne wie Förster und Dachs (Levente Páll tadellos, allerdings leider ohne Bassgewalt).

Die Waldszenen werden in ästhetischem Licht zwischen Bäumen und romantischen Lichtungen gezeigt, meist bezaubernd, rätselhaft, aber auch verstörend, z.B. wenn der Wilderer Harašta (Marcell Bakonyi kann dunkle, volksliedhafte Stimmung verbreiten) eine blutrote, aus Fleischstücken zusammengebastelte, weibliche Puppe tötet und zum Teil isst, bevor sie als toter Hase die Füchsin in die Falle locken soll. Der Fuchs (Jana Kurucová mit teilweise zu lauter, übersteuernder Höhe) erscheint im eleganten, weißen Sommeranzug und im Kennenlern-Duett mit der lebhaften Fähe harmonieren die Stimmen ausgezeichnet, sodass der Zauber des ersten Verliebtseins gut eingefangen werden kann. Die Französin Mélissa Petit gibt als Füchsin alles: Mit animalischer Energie zeigt sie sich freiheitsliebend, frivol, authentisch und läuft, hüpft und tanzt mit geschmeidigen Bewegungen, während ihr heller Sopran klar und lieblich ertönt. Sie kann auch ihre kämpferische und verletzliche Seite präsentieren, wenn sie in ihrer Kantilene von der Brutalität des Försters singt. Dieser – vom Schweizer Milan Siljanov dargestellt – verfügt über einen tragfähigen Bariton in allen Stimm- und Gemütslagen mit ausreichendem Wohlklang und kann auch darstellerisch als Zerrissener brillieren, der wehmütig auf verpatzte Chancen und Jugend zurückblickt.

Giedrė Šlekytė aus Vilnius leitet die Wiener Symphoniker und den vorzüglichen Arnold Schoenberg Chor mit lebendiger Ausdruckskraft und großem Farbenreichtum und bringt ein wundervoll-musikalisches Naturschauspiel, das heftig bejubelt wird.

Susanne Lukas

„Příhody lišky Bystroušky“ („Das schlaue Füchslein“) (1924) // Oper von Leoš Janáček

Infos und Termine auf der Website des MusikTheaters an der Wien