Angermünde / UckerOper (August 2023) „Judith“ vereint Mozart und Hebbel
Judith und Holofernes, die biblische Geschichte um die jüdische Witwe und den grausamen babylonischen Feldherrn, war in der Kunst immer wieder Thema. Der 15-jährige Mozart, der gerade mit dem Vater durch Italien reiste, stellt in „La Betulia liberata“ den religiösen Konflikt in den Vordergrund: Die belagerten Israeliten, die sich von Gott verlassen fühlen, werden von der tiefgläubigen Judith gerügt.
Mozarts Oratorium nach einem Drama von Metastasio lädt durchaus zur szenischen Umsetzung ein. So auch die UckerOper, die für ihre zweite Produktion „Judith“ die mittelalterliche St. Marienkirche des uckermärkischen Städtchens Angermünde bespielt. Regie in dieser deutschsprachigen Produktion führt Holger Müller-Brandes, der als Bühne eine Art Laufsteg in den Altarraum setzt. Links und rechts daneben nimmt das Publikum Platz. Das Preußische Kammerorchester Prenzlau spielt in der Empore des Seitenschiffs, die Sänger verfolgen das Dirigat von Jürgen Bruns durch einen gotischen Spitzbogen. Die akustischen Bedingungen sind halbwegs akzeptabel.
Die Chorsänger vereinen sich zu einem ganz gegenwärtig anmutenden Flüchtlingscamp, sitzen bei Kerzenschein zwischen Kisten und Koffern. Müller-Brandes verzichtet auf drastische Bilder und setzt auf eine schlichte, ruhige Personenregie. Der Mord geschieht hinter den Kulissen. Nach der Tat hüllt sich Judith in einen Umhang und schmuggelt das abgeschlagene Haupt in einem Ballen mit ihrer Unterwäsche aus dem Lager.
Das Werk steht in der Tradition der italienischen Barockoper. Es ist durchaus eine Herausforderung, die lange Kette von Dacapo-Soloarien in Szene zu setzen. Zumal Mozart, im Sinne eines Oratoriums, das erotische Geschehen zwischen Judith und Holofernes ausspart. Um das Ganze aufzupeppen, wurden hier gesprochene Dialoge aus Friedrich Hebbels 1840 entstandenem Drama „Judith“ eingefügt. Hebbel leuchtet die Begegnung zwischen den beiden Hauptfiguren psychologisch aus. Er begründete die moderne, ambivalente, erotisch schillernde Sicht auf Judith als Femme fatale.
Vollblut-Schauspieler Hannes Lindenblatt als Holofernes erweist sich trotz der Kürze seines Auftritts als Kraftzentrum des Abends. Die Partie der Judith geht die Altistin Anna Vishnevska zu theatralisch an – mit weit in die Mittellage gezogener Bruststimme, forcierten Spitzentönen, schleppender Linienführung. Vor allem bei den Rezitativen trägt sie zu dick auf. Schön sind die Nebenrollen besetzt. Als Bethuliens Oberhaupt zeigt Kyle Fearon-Wilson brodelnde Gefühle und einen sonoren Tenor. Die Rolle der adligen Amital nimmt Irina Prodan kokett, sie überzeugt mit gestochen scharfen Koloraturen. Als Prinz Achior präsentiert Kento Uchiyama einen kraftvollen Sarastro-Bass.
Jürgen Bruns leitet seine „Preußen“ mit Elan und energischen Akzenten, sodass die Affekt-Kontraste gut zur Geltung kommen. Plastisch und farbenreich spielt die Bläserriege. Am Ende fährt der engagierte Laienchor, Judiths Tat preisend, zu voller Klangpracht auf.
Mit schmalem Budget, nichtkommerzieller Ausrichtung und viel ehrenamtlichem Engagement bringt die UckerOper anspruchsvolles Musiktheater in den ländlichen, dünn besiedelten Raum. Das Premierenpublikum ist begeistert.
Antje Rößler
„Judith“ // Oper nach Wolfgang Amadeus Mozarts Oratorium „La Betulia liberata“ (1771) und Friedrich Hebbels Tragödie „Judith“ (1840) in einer Bearbeitung von Birgitta Rydholm und Holger Müller-Brandes