Das Regieteam rund um den bekennenden Sondheim-Fan Martin G. Berger transportiert die an sich im London des Jahres 1846 angesiedelte Handlung von „Sweeney Todd“ gekonnt ins Heute und macht aus dem gruseligen Stoff des mordenden Barbiers eine scharfe Kapitalismuskritik. „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, dieses Brecht-Zitat wird gleich zu Beginn der Vorstellung auf den Gittervorhang der Staatsoperette Dresden projiziert. Der trennt die Welt des Normalbürgers in moderner Alltagskleidung sowie das Prekariat dieser und vergangener Zeiten in schmutziger Arbeitskluft von den in Gold gewandeten „Reichen“, der Oberschicht.

Die zu Beginn auf Deutsch angestimmte „Ballade von Sweeney Todd“ erzählt zügig die Vorgeschichte der Handlung: Ein reicher Richter voller Macht findet Gefallen an der schönen Frau des aufrechten Barbiers Benjamin Barker und nutzt seine Position aus, um diesen ins Exil zu schicken und sich ihrer zu bemächtigen. Musikalische Versatzstücke dieser Ballade geleiten den Zuhörer durch das Stück. Das nimmt mit der Begegnung zwischen der Pastetenbäckerin Mrs. Lovett und dem ehemaligen Barbier, der nach 15 Jahren nach London zurückkehrt, so richtig Fahrt auf.

Lovett, wunderbar verkörpert von Silke Richter, ist ein Unikum und hat den richtigen Riecher, um die Rachsucht des Barbiers mit ihrem Geschäftsmodell zu verknüpfen. Sie hat sein Rasiermesser aufbewahrt – und so nimmt das in Dresden unblutige Morden aus Rache seinen Lauf und füllt zugleich die Pasteten und Kassen der Bäckerin, die schon bald von Wohlstand träumt. Hinrich Horn als Sweeney Todd ist ihr ein gleichwertiger Partner. Das Orchester unter der Leitung von Peter Christian Feigel durchschreitet sicher Sondheims komplizierte Partitur. In den Nebenrollen überzeugen Dimitra Kalaitzi als Bettlerin, Elmar Andree als gieriger Richter Turpin und Julie Sekinger als Begierde-Objekt des Richters. Am Ende findet auch dieser endlich den Tod durch Sweeneys Messer – aber erst, als es bereits zu spät ist, merkt Sweeney, dass seine Rachsucht auch Menschen trifft, die er liebte …

Mareile Flatt-Baier

„Sweeney Todd, the Demon Barber of Fleet Street“ (1979) // Musical Thriller von Stephen Sondheim

Infos und Termine auf der Website der Staatsoperette Dresden