1928 hatte der Intendant des Großen Berliner Schauspielhauses Erik Charell die Idee, unter Verwendung wertvoller Musikteile von Johann Strauss (Sohn) eine Operetten-Revue zu kompilieren. Ralph Benatzky sollte ihm dieses Arrangement erstellen und dabei zugleich eine Brücke zum Jazz schlagen, gefertigt aus eher unbekannt gebliebenen Strauss-Bühnenwerken wie „Indigo“ oder „Prinz Methusalem“. Und mit Einlagen für ein Männer-Vokalquintett, das in diesem Stück seinen ersten großen öffentlichen Auftritt hatte, den es weltberühmt machte: die Comedian Harmonists.

Unter der inspirierten Stabführung von Cornelius Meister blitzt, funkt und zündet es. Meister kann Operette mit allen Facetten: schwelgerisch-süffig in den zarten Melodiewendungen, mit perfekt dosierter Süße in den Liebesduetten, einschließlich einer latenten Melancholie. Das Staatsorchester Stuttgart folgt ihm gewandt, und der Staatsopernchor hat seinen von Bernhard Moncado perfekt einstudierten Spaß am Persiflieren.

Den hat zuweilen auch Regisseur Marco Štorman. Schade nur, dass er sich dabei immer wieder selbst im Wege steht. Dass er Solisten, Ensembles und Chor führen kann, steht außer Frage. Man weiß aber nicht so recht, wohin er konzeptionell möchte. Einerseits zieht er temperamentvoll seine Register zwischen leisem Humor und knall-draller Komik, andererseits will er auch aktuelle kritische Impulse setzen. Doch die Anspielungen auf Elon Musk oder die AfD verpuffen aufgrund ihrer Aufgesetztheit. Wie zudem die eingelagerten „Textinseln“ über die antike Dichterin Sappho alles Spielerische immer wieder ins Stocken bringen.

Dass die Titelfigur wie Botticellis Venus einer Muschel entsteigt, verwundert. Das soll wohl Androgynität vorstellen. Und Casanova in einer lächerlichen Fellhose herumlaufen zu lassen, wirkt genauso deplatziert. Ansonsten sind die Kostüme von Yassu Yabara genauso pracht- wie fantasievoll. Und das farbenfrohe Bühnenbild von Demian Wohler ist in der raffinierten Ausleuchtung von Valentin Däumler und Clemens Gorzella gekonnt opulent, weshalb es in dieser Massivität nicht gerechtfertigt scheint, beim Schlussvorhang das Regieteam derart gnadenlos auszubuhen. Ein Übriges zur Haben-Seite leistet die fetzige Choreografie von Cassie Augusta Jørgensen.

Ein feiner Zug vom Solisten-Ensemble ist, dass insbesondere die Herren gemeinsam die Songs der Comedian Harmonists professionell gestalten, darunter der charaktervolle Elmar Gilbertsson, der markige Bariton Johannes Kammler und der großzügig tenoralen Schmelz verschenkende Moritz Kallenberg. Bei den Damen gefallen die substanzreiche Maria Theresa Ullrich, die silbrige Stine Marie Fischer und die blühende Esther Dierkes. Michael Mayes beginnt seinen Casanova mit genussvoll dröhnendem Bass-Pathos und wahrt dabei die gebotene Leichtigkeit in der Stimmführung. Bedauerlich, dass ihm im Verlauf die Kräfte schwinden. Doch hörenswert ist dieser Beitrag zum großen Johann-Strauss-Jahr 2025 allemal.

Dr. Jörg Riedlbauer

„Casanova“ (1928) // Revue-Operette von Ralph Benatzky mit Musik von Johann Strauss (Sohn)