Hamburg / Staatsoper Hamburg (März 2025) Viele Doubles für Donizettis „Maria Stuarda“
Im Zentrum von Donizettis Belcanto-Oper „Maria Stuarda“ steht der Streit der beiden Königinnen Elisabeth I. und Maria Stuart um Macht und Liebe. Beide begehren den Grafen Leicester, woraus ein Sog an Eifersucht entsteht, der sich beim Aufeinandertreffen entlädt.
Karin Beier setzt in der allerersten Inszenierung dieses Werks an der Staatsoper Hamburg vor der Musik auf das Wort: Statt die Ouvertüre erklingen zu lassen, tritt ein Elisabetta-Double auf und spricht einen Prolog. Selbiges wiederholt sich mit einem Maria-Double im zweiten Akt. Gerne würde man diesem Regie-Einfall etwas abgewinnen, die Monologe bieten aber keinen inhaltlichen Mehrwert, nehmen dem Musiktheater allerdings Wirkung. Neben Maria und Elisabetta befinden sich je bis zu fünf Doubles auf der Bühne, mit denen Beier die Innenwelten der Königinnen in unterschiedlichen Facetten nach außen kehrt, die Hauptdarstellerinnen selbst aber mitunter blass wirken lässt.
Wenn Elisabetta sich von Maria verfolgt fühlt, überzeugen die Doubles – sie ist plötzlich überall. Dass die echte Maria mehr das Publikum als Elisabetta anfleht, obwohl sie neben dieser kniet, lässt viel Intensität auf der Strecke. Auch der Streit um Leicester verliert sich etwas. Insgesamt wird das Ringen der Königinnen nicht schlüssig dargestellt, wodurch der Kern der Oper zerfasert. Das Ende misslingt gänzlich: Scheinwerfer werden heruntergelassen, zwei Kameraleute kommen auf die Bühne, und während man noch rätselt, was das alles soll (eine Anspielung auf Reality-TV-Shows?), legt Maria sich auf einen Schreibtisch, und der Schlussakkord erklingt. All das wirkt so unfertig, dass nur zu hoffen bleibt, dass die der Premiere vorausgegangenen Streiks die Erklärung dafür sind.
Die trist-graue Bühne von Amber Vandenhoeck, in Gefängnis-Optik beleuchtet von Neonröhren, und die großflächigen düsteren Videoprojektionen von Severin Renke sorgen für starke Bilder. Besonders intensiv: Maria vorne mit Glatze und eine ästhetisierte Rasier-Szene als Video. Die Kostüme von Eva Dessecker setzen historisierende Akzente bei Elisabetta und Maria, der Rest ist neutral modern in Schwarz gehalten, wovon sich der glänzend rote Lack-Mantel Elisabettas abhebt und Assoziationen zu Macht und Fetisch auslöst.
Barno Ismatullaeva beeindruckt als perfekte Elisabetta mit durchschlagender und kalter Klarheit, die sie mit einer nahezu beängstigenden Leichtigkeit abliefert. Ermonela Jaho gibt die Stuarda anfänglich zart und zurückhaltend, selbst in schwindelerregenden Höhen – singt sich aber auch voluminös in Rage, wovon man sich mehr wünscht. Long Long kann mit seiner vollen, emotional timbrierten Stimme als Leicester überzeugen, ist jedoch zu weinerlich. Musikalisch fallen vor allem das beschwingte Dirigat von Antonino Fogliani auf und der heimliche Star des Abends: Chorleiter Eberhard Friedrich, der sich mit dieser Produktion in den Ruhestand verabschiedet, nicht ohne einen beeindruckenden Klangkörper zu hinterlassen – himmlisch schön das „Deh! Tu di un’umile preghiera“.
Christoph Oscar Hofbauer
„Maria Stuarda“ (1834/35) // Tragedia lirica von Gaetano Donizetti