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Rezensionen 2025/04

5. Mai 2025

Erstarrte Erinnerungen

Wiesbaden / Staatstheater Wiesbaden (Mai 2025)
Bizets „Perlenfischer“ im Seniorenheim

Wiesbaden / Staatstheater Wiesbaden (Mai 2025)
Bizets „Perlenfischer“ im Seniorenheim

Die „Perlenfischer“ im Seniorenheim – was wie ein Regietheater-Exzess klingt, funktioniert in der Produktion des Kollektivs FC Bergman erstaunlich gut. Das ungewöhnliche Setting lässt sich zwangslos aus der Erzählweise des Librettos ableiten. Da trifft Zurga, der Anführer eines kleinen Inselvolkes, nach vielen Jahren seinen Jugendfreund Nadir wieder. Beide waren einst in dasselbe Mädchen, Léïla, verliebt. Dieses taucht, zunächst unerkannt, als Tempelpriesterin wieder auf. Die Konflikte einer vergangenen Dreiecksgeschichte mit Freundschaft, Liebe und Eifersucht brechen neu hervor.

Als Spielort dient der trostlose Gemeinschaftsraum eines Altenheims, nebenan befindet sich eine Leichenhalle samt Kühlzellen. Der Coup der Inszenierung ist, dass der zentrale Handlungsort der erzählten Vergangenheit, ein Strand, als lebensgroßes Diorama nachgebaut wurde und per Drehung der Bühne zum Vorschein kommt. Eine gewaltige Meereswelle ist zur Skulptur erstarrt, davor sind jugendliche Doppelgänger der vergreisten Protagonisten zu sehen, zunächst in eingefrorenen Bewegungen, später auch in einfühlsamen Choreografien, welche die Vorgeschichte lebendig werden lassen. Zwei Tänzer (Bianca Zueneli als junge Léïla und Jan Deboom als junger Nadir) werden zu gleichberechtigten Darstellern. Eugene Richards III, der sich als junger Zurga bruchlos in die Choreografie einfügt, offenbart im letzten Akt zudem noch einen sonoren Bassbariton, weil das Regieteam ihn mit der Rolle des Gemeindeältesten Nurabad gleichsetzt, wodurch der alte Zurga nun mit seinem jüngeren Ich konfrontiert wird.

So werden die im Libretto angelegten Leerläufe handwerklich geschickt und optisch attraktiv umschifft. Das Stück erhält dadurch eine enorme Aufwertung. Es ist als emotional berührendes Drama zu erleben, wo es anderenorts lediglich als Vehikel für die Musik dient, insbesondere für das Wunschkonzertduett von Zurga und Nadir „Au fond du temple saint“, dessen Melodie die Partitur als Erinnerungsmotiv durchzieht. Die farbige Musik des jungen Bizet erklingt unter der zupackenden Leitung von Chin-Chao Lin frisch und duftig. Die Sänger der Hauptpartien sind nicht nur rollenerfahren, sondern auch mit der Inszenierung vertraut: Sie gehörten zur Originalbesetzung von Opera Ballet Vlaanderen, wo die Produktion vor einigen Jahren zuerst gezeigt wurde. Die äußerliche Darstellung von Greisen gelingt ihnen derart überzeugend, dass ihre Gesangsleistungen dazu in einem denkbar großen Kontrast stehen.

Mit kernigem Bariton trumpft Kartal Karagedik als Zurga auf. Elena Tsallagovas Sopran verleiht der Léïla jugendlich-dramatische Frische und bewältigt mühelos die zahlreichen Koloraturen. Dass Marc Laho als Nadir mit seinem lyrischen Tenor in der Höhenlage mitunter merkbar in die Kopfstimme umschalten muss, schmälert seine Leistung nicht wesentlich. Der präsente Chor der gar nicht greisenhaft singenden Greise gefällt mit satter Klangfülle und Homogenität. Die Choristen sind dabei sehr überzeugend in der Darstellung einer Schar von Altenheimbewohnern.

Dr. Michael Demel

„Les pêcheurs de perles“ („Die Perlenfischer“) (1863) // Oper von Georges Bizet

2. Mai 2025

Die Welt steht Kopf

Salzburg / Salzburger Landestheater (April 2025)
Wiederentdeckung von Antonio Salieris „Il mondo alla rovescia“

Salzburg / Salzburger Landestheater (April 2025)
Wiederentdeckung von Antonio Salieris „Il mondo alla rovescia“

Adam greift zum rotbackigen Apfel – und auch wenn Eva versucht, ihn von diesem folgenschweren Biss ins Obst abzuhalten: Er passiert. Während die ersten Töne von Antonio Salieris Oper „Il mondo alla rovescia“ aus dem Orchestergraben perlen, weist dieses Tableau auf das hin, was die nächsten drei Stunden prägt: Die Geschlechterrollen sind vertauscht. Was vor 230 Jahren bei der Uraufführung durchfiel, sorgt im Salzburger Landestheater schon in den ersten Minuten für wohlwollendes Gelächter.

Damit sich das Publikum zurechtfindet, läuft die Handlung in Kurzfassung über eine Leinwand: Auf einer fernen Insel herrschen die Frauen und erfreuen sich nach Lust und Laune am männlichen Geschlecht. Die Herren der Schöpfung kümmern sich um Haus und Heim. Als zwei Fremde an der Küste stranden, gerät das System ins Wanken. Der europäische Mann, Il Conte, genießt sofort die Annehmlichkeiten eines „nicht“ männlich codierten Lebens, während La Marchesa die Aufmerksamkeit der Männer schmerzlich vermisst. Zu guter Letzt dürfen beide wählen, wie sie leben wollen. Die Dame kehrt zurück in das konventionelle Leben Europas, der Herr bleibt gern auf der Insel, genießt die neue Rolle – und findet die große Liebe.

Was heute im Zusammenleben von Mann und Frau – zumindest in Europa – nicht mehr unvorstellbar scheint, war zu Salieris Zeiten die kühne Idee eines Librettos von Caterino Tommaso Mazzolà. Salieri, ein von Mozart sehr respektierter Zeitgenosse, bietet dem Publikum einen temporeichen musikalischen Strauß aus Duetten, Terzetten, Quartetten und Quintetten. Regisseurin Alexandra Liedtke gelingt es, die Welt auf den Kopf zu stellen, ohne ins Peinliche abzugleiten. Die Szenen wechseln rasant, das Bühnenbild von Philip Rubner zitiert berühmte Gemälde wie Raffaels „Sixtinische Madonna“ oder Leonardos „Mona Lisa“. Die Damen tragen strenge schwarze Uniformen und spielen gern mit Schlagstöcken, die Herren stecken in rosa Bermudas und schleppen Wäschekörbe. Für Heiterkeit sorgt die Nachstellung von Botticellis „Geburt der Venus“: Il Conte präsentiert seinen nackten Oberkörper und lässt sich genüsslich umschmeicheln. Das Sängerensemble – ebenso wie das bestens disponierte Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Carlo Benedetto Cimento – vermittelt sichtbare Spielfreude.

Sopranistin Hazel McBain brilliert mit perlenden Tönen in den zahlreichen Arien ihrer Rolle als La Colonnella. Ihr steht Nicole Lubinger als Marchesa in nichts nach. Als „Barbie“ buhlt sie um den ein wenig weinerlichen „Ken“ Amaranto – brillant verkörpert von Luke Sinclair. Bariton George Humphreys genießt seine verdrehte Rolle als Il Conte und überzeugt auch stimmlich mit so manchem Spitzenton. Ganz in ihrer Rolle als strenge L’Ajutanta Maggiora geht Katie Coventry auf. Grandios: Daniele Macciantelli als La Generala – die einzige Rolle, die tatsächlich das Geschlecht wechselt. Der Bass überzeugt mit hinreißendem Minenspiel. Auch wenn sich die Oper nach der Pause ein wenig in die Länge zieht, bejubelt das Publikum die Mitwirkenden zu Recht für ihre Leistung.

Susanne Dressler

„Il mondo alla rovescia“ („Die verdrehte Welt“) (1795) // Dramma giocoso von Antonio Salieri

29. April 2025

Zwischen Leben und Tod

Berlin / Komische Oper Berlin (April 2025)
Serebrennikov beschließt mit „Don Giovanni“ seine Mozart/Da-Ponte-Trilogie

Berlin / Komische Oper Berlin (April 2025)
Serebrennikov beschließt mit „Don Giovanni“ seine Mozart/Da-Ponte-Trilogie

Dieser „Don Giovanni“ überlebt den respektlos originellen Zugriff, mit dem der russische Regisseur und Ausstatter Kirill Serebrennikov dem dritten Teil seiner Mozart/Da-Ponte-Trilogie für die Komische Oper Berlin zu Leibe rückt. Und das in gleich doppelter Hinsicht. Zunächst überlebt der Titelheld – irgendwie jedenfalls. Während der Ouvertüre findet sich zwar eine illustre Trauergesellschaft an seinem offenen Sarg ein. Aber der Tod stellt sich vorerst als Irrtum heraus. Die Geschichte seines letzten Tages geht als Abfolge von Erinnerungen und Visionen jetzt erst richtig los. Anfangs im Krankenbett, mit der zunächst hochschwangeren Zerlina (Penny Sofroniadou) und dem biederen Masetto (Philipp Meierhöfer) als Pflegepersonal.

Am Ende nach dem Ende, in diesem Falle zum Finale des nach der Höllenfahrt des Verführers angefügten Mozart-Requiems, lebt er beziehungsweise sein Seelen-Alter-Ego immer noch und schreitet in der Horizontalen nach oben gen Schnürboden, also vielleicht gen Himmel. Als Befreiung von was auch immer. Für seinen Lebenswandel und seine Vorstellung von sexueller Selbstverwirklichung wird er diesmal jedenfalls nicht exemplarisch „bestraft“. Auch dem Commendatore (Tijl Faveyts) stellt der Regisseur mit dem Schauspieler Norbert Stöß ein überlebendes Seelen-Alter-Ego an die Seite. Der unterbricht die Musik immer wieder mit Weisheiten aus dem „Tibetischen Totenbuch“ über den Zustand zwischen Leben und Tod und das Sterben. Wobei James Gaffigan das Orchester der Komischen Oper so im Griff hat, dass die übergreifende Wirkung der Musik im Bündnis mit den singenden Protagonisten nicht unterbrochen wird.

Musikalisch gravierender ist die Übergabe der Position von Don Giovannis energischster Verflossener Donna Elvira an einen Don Elviro. Sopranist Bruno de Sá bewältigt dieses besondere Debüt mit vokaler Hochseilartistik und darstellerischer Verve. Hubert Zapiór als Don Giovanni und Tommaso Barea als Leporello stehen ihm sowohl mit ihrer vokalen Jugendlichkeit und ihrem Oberkörper-frei-Sexappeal in nichts nach. Der Witz der anderen Perspektive (der Erweiterung von Don Giovannis Zielgruppe auf Männer) konkurriert zwar mit der vokalen Ensemble-Balance. Da die Regie aber das Dramma giocoso ernst nimmt, gibt es jede Menge szenischen Witz als Ausgleich. Und mit Adela Zaharia eine überragende, in jeder Hinsicht großformatige Donna Anna, in deren Schatten der Don Ottavio von Agustín Gómez auch vokal keine echte Chance hat.

Dieses Spiel der Verführung als Erinnerung oder Vision zwischen Leben und Tod findet in einem System von unterschiedlich großen, abstrakten Holzkisten statt, die ebenso beweglich sind, wie die jede drohende szenische Leerstelle sofort füllenden, in der Choreografie von Evgeny Kulagin performenden drei Geister und Gedankenformen. Dieser Perspektivwechsel gefällt nicht jedem, aber diese „Oper aller Opern“ überlebt das.

Roberto Becker

„Il dissoluto punito ossia Il Don Giovanni“ ( 1787) / Dramma giocoso von Wolfgang Amadeus Mozart

Requiem in d-Moll (Introitus, Kyrie, Sequenz) (1791) // von Wolfgang Amadeus Mozart, in der von Franz Xaver Süßmayr fertiggestellten Instrumentation

Infos und Termine auf der Website der Komischen Oper Berlin

25. April 2025

Ohne Ultraschall-Befund

Amsterdam / Nationale Opera & Ballet (April 2025)
Heillos vertrackte Regie und glänzende musikalische Ausleuchtung für „Die Frau ohne Schatten“

Amsterdam / Nationale Opera & Ballet (April 2025)
Heillos vertrackte Regie und glänzende musikalische Ausleuchtung für „Die Frau ohne Schatten“

In dieser Inszenierung der „Frau ohne Schatten“ sind nicht nur Übermächte im Spiel. Finstere Gestalten zücken schnell ihre Pistolen und drücken auch ab. Auf ein totes Dienstmädchen mehr oder weniger kommt es bei Katie Mitchell in dem gespenstischen Gebäude, das ihr Ausstatterin Naomi Dawson gebaut hat, nicht an. Die Luxus-Etage für das Kaiserpaar ist von sterilem Schick. Bei den Färbers, die sich ein Stockwerk darunter offenbar aufs Dealen verlegt haben, blinkt ein kitschig bunter Weihnachtsbaum im Schlafzimmer.

Beängstigend düster erscheinen im dritten Aufzug die beiden zwischen Verließ und Heizungskeller changierenden unterirdischen Gewölbe-Etagen dieses metaphorischen Geisterhauses. Trotz aller angedeuteten, mit modernem medizinischem Gerät ausgestatteten Gegenwart herrscht hier der Geisterkönig Keikobad mit seinem Gefolge. Inmitten einer schießwütigen, bedeutungsschwanger vor- und rückwärts schreitenden Helfertruppe mit Wolfsmasken ist er am Gazellenkopf erkennbar. Dass die Kaiserin an diesem Aufzug ihres Vaters nichts findet, liegt wohl an der Verwandtschaft. Der Rest darf rätseln.

Das Bild des Schattens übersetzt Mitchell in Fotos permanent erzwungener Ultraschall-Untersuchungen der Frauen. Über die ethischen Grundsätze dieser autoritären Fruchtbarkeits- und Fortpflanzungsmedizin denkt man besser nicht nach – auch, wenn am Ende sowohl bei der Kaiserin als auch bei der Färbersfrau positive Befunde zu vermelden sind. Darüber darf sich sogar die kurzzeitig amnestierte Amme einen Moment lang mitfreuen. Allerdings nur, um danach mit den drei Brüdern Baraks erschossen zu werden. Was an diesem von der Regisseurin so bezeichneten „Science-Fiction-Thriller“ feministisch sein soll, können wohl nur die Übermächte aufklären, die angeblich im Spiel sind. Das Libretto der „Frau ohne Schatten“ ist an sich schon eine Herausforderung – wenn man die Geschichte noch vertrackter erzählen will, als sie ist, braucht man ein nachvollziehbares Konzept (wie Tobias Kratzer oder Claus Guth).

So erwächst dem Abend die Rettung ganz und gar aus der Musik. Und da steht mit Marc Albrecht – wie schon 2008 bei der Inszenierung von Andreas Homoki – ein „Frau ohne Schatten“-Spezialist am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest, der das Einfühlen in die Abgründe der Geschichte musikalisch glaubhaft macht. Bei ziemlich hochgefahrenem Graben bleibt das Ganze immer wohl dosiert. Dadurch werden opulentes Schwelgen und die lyrischen Momente zum Genuss. Auch auf der Bühne sind Daniela Köhler und AJ Glückert ein bewährtes Kaiserpaar. Josef Wagner versucht, die Güte Baraks nicht zu übertreiben. Auch Aušrinė Stundytė belässt es bei dosierter Hysterie, während sich Michaela Schuster mit ihrer ganzen Erfahrung auf die rabiate Amme einlässt, die ihr die Regie zugedacht hat.

Roberto Becker

„Die Frau ohne Schatten“ (1919) // Oper von Richard Strauss

21. April 2025

Ab ins kalte (?) Wasser!

Erl / Tiroler Festspiele Erl (April 2025)
Wagners „Parsifal“ im Zeichen der Musik

Erl / Tiroler Festspiele Erl (April 2025)
Wagners „Parsifal“ im Zeichen der Musik

Mit Spannung erwartet wurde der erste Bühnenauftritt von Neu-Intendant Jonas Kaufmann bei „seinen“ Tiroler Festspielen. Dass er dafür zu Ostern den „Parsifal“ in einer spirituell-abstrakten Inszenierung von Philipp M. Krenn aufs Programm setzt, passt zur neuen Erler Programmatik. Diese will sich insgesamt an den „guten“ Traditionen des Opernbetriebs orientieren, auf überbordendes Regietheater verzichten und – nichts anderes würde man von einem Sängerintendanten erwarten – die Musik in den Mittelpunkt stellen. Was überzeugend gelingt.

Nicht nur Kaufmann selbst in der Titelpartie, auch alle anderen Solistinnen und Solisten warten mit Weltklasse-Leistungen auf. Kundry Irene Roberts lässt keinen Zweifel an ihren vorhandenen Qualitäten als Verführerin und demonstriert kraftvoll-sinnlich die hervorragende Akustik des Raums. Dass sie dabei dauernd im Wasser planschen und am Ende (etwas früh!) abtauchen muss – die Regie platziert einen Pool mitten auf der Bühne – scheint sie überhaupt nicht zu stören. Ebenfalls beeindruckend gerät das Rollendebüt von Georg Nigl als Klingsor, der seiner bizarren Figur einen stimmlich-kraftvollen Stempel aufdrückt. Und gleich noch eine weitere Leistung sticht hervor: Michael Nagy ist als leidender Amfortas (in Krenns Inszenierung im Rollstuhl) eine akustisch wie optische Erscheinung mit extremer gestalterischer Variabilität, wodurch selbst etwas langatmige Passagen in der Partitur nie an Spannung verlieren. Auch Brindley Sherratt hält den hohen Erwartungen stand und fügt sich als stimmgewaltiger, „tönender“ Gurnemanz perfekt ins Ensemble ein. Clive Bayley schließlich komplettiert die Solistenriege als König Titurel mit seiner kraftvollen Bass-Stimme.

Einzig Asher Fisch am Pult des Orchesters der Tiroler Festspiele hätte man vor allem im ausladenden ersten Akt etwas mehr „Feuer“ und deutlichere Akzentuierungen gewünscht – nicht nur, weil die riesige Besetzung mit sieben (!) Kontrabässen den fulminanten Wagner-Klang wirklich feiert. Szenisch und akustisch zuverlässig „auf und hinter der Bühne“ agiert der festivaleigene Chor, einstudiert von Olga Yanum.

Erfreulicherweise drängt sich das Regiekonzept dieser musikalisch so starken Produktion nicht in den Vordergrund. Krenn verzichtet auf eine allzu eigenmächtige Interpretation und erzählt die Geschichte geschickt, ästhetisch anmutig und „logisch zur Musik“. Die helle, abstrakte Bühne von Heike Vollmer ist geprägt von großen, mechanisch bewegbaren, weißen Elementen, die aussehen wie das Festspiel-Logo. Kundry erscheint zunächst in Pastellfarben-Braun, später auch im weißen Kleid, die Blumenmädchen-Szene präsentiert sich insgesamt mehr knallbunt als erotisch, aber ansprechend. Einzig Parsifal setzt im jungenhaften, dunklen Hoody-Jeans-Outfit farblich kontrastierende Akzente. Erst gegen Ende, nach aufwendig zelebrierter heiliger Waschung, darf er sich ebenfalls ein weißes Outfit anziehen (Kostüme: Regine Standfuss). Nicht zu vergessen das dominierende Bühnenelement der Inszenierung und deren optischer Mittelpunkt: der Pool – vielleicht im Laufe des Stücks etwas zu sehr strapaziert. Unbedingt und nichtsdestotrotz ein sehr gelungener Auftakt in die Erler Festspielsaison, der Lust macht auf mehr.

Iris Steiner

„Parsifal“ (1882) // Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner