Mit Wahrheit und Schein befasst sich die Semperoper Dresden in Aribert Reimanns Kammeroper „Die Gespenstersonate“ nach dem gleichnamigen Schauspiel des schwedischen Dramatikers August Strindberg. Es ist das zweite Werk von Reimann, das sich nach dem „Traumspiel“ von 1965 auf Strindbergs Dramen stützt. Dabei vermischt sich Gespenstisches und Reales zu einem untrennbaren, nicht mehr zu unterscheidenden Ganzen. In der Dresdner Erstaufführung agieren die Sängerinnen und Sänger auf einer leeren Drehbühne, direkt vor den Augen des auf drei Reihen in Semper Zwei, der kleinen Spielstätte der Semperoper, sitzenden Publikums. Dafür wählt Judith Adam verschiebbare Wände, die sich auf drei übereinanderliegenden Podien befinden und differenzierte Einblicke ins Geschehen ermöglichen. Die meisten Kostüme gleichen der Alltagskleidung, teilweise werden sie auch auf die Funktion der Figur, wie die Uniform des Obersten, bezogen. Requisiten kommen nur spärlich zum Einsatz, so eine Parfümflasche, ein Stapel Zeitungen oder der Vogelkäfig der Mumie.

Musikalisch gesehen handelt es sich um ein unmelodiöses und für die Singenden auch rhythmisch schwer zu interpretierendes Werk, das sich außerhalb der Tonalität bewegt. Diese erhöhten Anforderungen meistern alle Darstellenden bravourös. Allen voran Andrew Nolen in der Hauptpartie des Alten, mit dunklem sonorem Bass, absolut sicher und auch schauspielerisch die perfekte Verkörperung dieser Rolle. Michael Pflumm als Student Arkenholz besticht durch seinen ausdrucksstarken Tenor und beweist in plötzlichen Ausbrüchen eine brillante Höhe. Jürgen Müller im Kostüm des Obersten, kurz demaskiert in Unterwäsche, agiert stimmlich etwas zu dröhnend für den kleinen Saal, fast könnte man es als Schreien bezeichnen, was wiederum auch andere Sänger zur Erhöhung der Lautstärke hinreißt. Sarah Alexandra Hudarew als Mumie, deren Kopf in einem Vogelkäfig steckt und die papageienhafte Laute von sich gibt, beeindruckt durch sichere Stimmführung und fulminante Leichtigkeit. Daneben bestechen in kleinen Partien Jennifer Riedel als Fräulein, Philipp Nicklaus als Johansson, Matthias Henneberg (seit 1985 am Haus) als Bengtsson, Milena Suhl als dunkle Dame und Eva Maria Summerer als Köchin. Fräulein Holstenkrona, die Portiersfrau, das Milchmädchen und der Konsul werden durch Statisten verkörpert. Zumeist singt ein Darsteller und ein anderer spricht die Partie geisterhaft-stumm mit.

Das Projektorchester unter Yura Yang, das hinter dem Publikum positioniert ist, vollführt sich ständig wiederholende, ohrenbetäubende und undefinierbare Klänge, die man nur als hintergründiges Getöse wahrnimmt. So wirkt die sehr statische, weil zu verkopfte Inszenierung von Corinna Tetzel kaum gespenstisch, eher unbeweglich. Das Publikum bleibt ratlos zurück.

Dr. Claudia Behn

„Die Gespenstersonate“ (1984) // Kammeroper von Aribert Reimann