Linz / Landestheater Linz (April 2023) Ein kaum mehr verständliches Regiekonzept für „Die Meistersinger von Nürnberg“
Zum 10. Geburtstag des 2013 eröffneten Musiktheaters am Volksgarten lässt das Landestheater Linz Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ neuinszenieren. Dafür engagierte man den wenig Wagner-erfahrenen Regisseur Paul-Georg Dittrich, unterstützt wird er von Sebastian Hannak (Bühnenbild), Anna Rudolph (Kostüme) und Robi Voigt (Videodesign). Das Team versucht, das Stück in „bester“ Regietheater-Manier einmal mehr völlig umzukrempeln – allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Ausgangspunkt ist Eva Pogner, aus deren Sicht die Unvereinbarkeit des Kunstbegriffs der Meistersinger mit jenem von Stolzing erlebt werden soll.
Es beginnt in Evas Kinderzimmer mit einem Riesen-Teddybär und aufziehbaren Spielzeugfiguren à la Olympia. Diese vertändeln freilich das ganze Vorspiel, bevor Eva ihren „Helden“ mit anonymer weißer Maske aus einer Spielzeugkiste holt und ihn auf der Festwiese nach dem Preislied wieder in einen solchen verpuppt, um dann mit den Worten „Nicht Meister! – Nein! Will ohne Meister selig sein!“ zu verschwinden. Man will also die Frage stellen, ob die Frau nach heutigen Maßstäben noch so auf der Opernbühne gezeigt werden kann, wie Eva in der Oper von Wagner konzipiert wurde.
Leider verliert dieser an sich löbliche Ansatz schnell an dramaturgischer und darstellerischer Wirkung, wenn die Meistersinger schon im ersten Akt als offenbar hoffnungslos jeden Ernstes verlustig gegangene uniforme Clown-Gruppe gezeigt werden – obwohl sie doch über eine lange Zeit etwas für die Kunst getan haben – und Eva im zweiten Akt fast wie ein Flittchen durch die Männerwelt lichtert. Hier rückt nun ein riesiger Flipper (Pinball) ins Zentrum der Räumlichkeiten, hinter denen die Idee einer Art Reise anhand einer filmischen „Zoom-out-Bewegung“ stehen soll. Dazu streift das Bühnenbild mit übertrieben bunten, kirmesartigen Elementen die Grenzen des Kitsches. Jedenfalls verläuft sich spätestens im dritten Akt das nur durch Lesen eines Programmaufsatzes noch in Grenzen verständliche Regiekonzept, wenn in einem Bunker Sachs mit einem einzigen Flipper befasst ist, dem auf der Festwiese nach und nach per störendem Gabelstapler hereingefahrene Kisten weitere elf hinzufügen. Nachdem die Festwiesengesellschaft verschwunden ist, flippern Nürnberger Kinder wie entfesselt auf ihnen, die immerhin noch jeweils für einen bekannten Komponisten stehen, herum. Die großen Charaktere wie Sachs, Pogner, Beckmesser, aber insbesondere auch Stolzing kommen in diesem Konzept zu kurz. Die Kernaussage der „Meistersinger“ wird nicht erkennbar getroffen.
Musikalischer Lichtblick ist Markus Poschner mit dem Bruckner Orchester Linz, das seine große Wagner-Kompetenz ausspielt, und die von Elena Pierini und Martin Zeller geleiteten Chöre des Hauses. Claudio Otelli singt einen guten, wenn auch – teilweise regiebedingt – nicht allzu persönlichkeitsstarken Sachs. Dominik Nekel ist ein klangvoller Pogner, Ralf Lukas ein exzellenter Beckmesser in Stimme und Spiel, Erica Eloff eine vielseitige Eva mit kraftvollem Sopran und Heiko Börner ein vokal wenig überzeugender Stolzing.
Dr. Klaus Billand
„Die Meistersinger von Nürnberg“ (1868) // Oper von Richard Wagner