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Gott erhalt’s!

Wie braut man eine Operette? Zur Uraufführung von Daniel Behles „Hopfen und Malz“ am Eduard-von-Winterstein-Theater

Wie braut man eine Operette? Zur Uraufführung von Daniel Behles „Hopfen und Malz“ am Eduard-von-Winterstein-Theater

von Stefan Frey

„Ich finde den Begriff Operette eigentlich sehr gut, weil er kontrovers ist. Sie ist satirisch, aber belehrt nicht, sondern verbirgt durch Oberflächlichkeit eine tiefere Schicht. Für mich hat das eine Subversivität, die es in der Oper nicht gibt. Es ist eine Form, Humor auf die Bühne zu bringen, auch blöden Humor. In der Oper gibt es keine richtige Lustigkeit, niemand hat den Mut, auch einen Kalauer zu vertonen. Aber in der Operette muss der Text griffig sein. Simple Reime, die aber einen Schmäh haben. Und wenn man dann noch eine turbulente Geschichte hat, mit vielen Verwirrungen, dann folgt die Musik von alleine.“

Tenor Daniel Behle weiß, was er will. Für ihn ist Operette nicht – wie bei den wenigen „Operetten-Uraufführungen“ der letzten Jahre – nur ein Etikett für mehr oder minder neutönerisches, komisches Musiktheater, für ihn ist es ein eigenes Genre mit eigenen Regeln. Und die nimmt er ernst, es soll schließlich auch nach Operette klingen.

Behle ist ein musikalischer Grenzgänger, hat nicht nur Gesang und Komposition studiert, sondern auch Posaune und Schulmusik. So vielseitig wie seine Ausbildung ist auch sein Schaffen. Er schreibt spätromantische Orchesterstücke, Hamburger Shanties und fiktive Richard-Strauss-Lieder. Und jetzt auch noch eine Operette. Sie heißt „Hopfen und Malz“, dreht sich ums Bierbrauen und wurde am 21. Januar 2023 in Annaberg-Buchholz uraufgeführt.

Ölsum oder Meersum: Wer braut das bessere Bier? (Foto Dirk Rückschloß/Pixore Photography)

Die Idee dazu kam Behle während einer „Arabella“-Vorstellung unter Christian Thielemann in Dresden. Der Gedanke, dass diese Musik eigentlich auch gut in eine Operette hineinpassen würde, ließ ihn nicht los und brachte ihn schließlich dazu, selbst eine zu schreiben. Und tatsächlich geistert Richard Strauss hörbar durch die Partitur von „Hopfen und Malz“, zumindest im Orchester – so, als habe Behle endlich die Operette geschrieben, die Richard Strauss immer schreiben wollte: Vergebens hatte er seinen Librettisten Hugo von Hofmannsthal davon zu überzeugen versucht, dass er „großes Talent zur Operette habe“ und „zum Offenbach des 20. Jahrhunderts berufen“ sei. Hofmannsthal schrieb stattdessen „Arabella“ – wahrscheinlich nur, um wiederum 100 Jahre später Daniel Behle auf die Idee zu bringen, selbst eine Operette zu schaffen. Dieser wiederum fand seinen Hofmannsthal im Schweizer Romancier Alain Claude Sulzer, der sich aber auf das Operetten­projekt des Komponisten einließ.

Unsinn mit Methode nach Wiener Art

Das Genre hat es Behle seit seinem Engagement an der Wiener Volksoper besonders angetan. Seinen Einstieg dort hatte er als Alfred in einer alten, schon etwas angestaubten „Fledermaus“-Inszenierung von Robert Herzl: „Das hat einfach Spaß gemacht, singen und nicht groß über das Warum nachdenken. Das war für mich sehr prägend. Ich finde, dass Operette, wie der Jazz ja auch, eine Wurzel hat. Und die ist für mich in Wien. Damals habe ich viel gelernt. Operette ist Musiktheater: Sprechen, singen und das Sujet sollte lustig sein oder wenigstens verwirrend – wie in der ‚Fledermaus‘. Warum funktioniert das? Klar, die Musik ist gigantisch, aber andererseits ist da auch die Thematik: Du hast einen Polizisten beleidigt, gehst dafür in den Knast, willst aber nicht – das ist so blöd, aber lustig und zeitlos. Ich finde auch Biertrinken zeitlos und deshalb sind wir darauf gekommen, das ist immer witzig.“

Denn darum geht es in „Hopfen und Malz“, ums Biertrinken und Bierbrauen. Und die Handlung ist tatsächlich lustig und verwirrend und spielt in den beiden norddeutschen Dörfern Meersum und Ölsum. Die wetteifern alljährlich um den ersten Preis beim regionalen Bierbrauwettbewerb. Seit Jahren gewinnt Horst Flens aus Ölsum. Und seit Jahren scheitert Max Fisch aus ­Meersum. Doch diesmal sind seiner Frau Letty vier ­Bayern im Traum erschienen. Sie verkünden ihr, der Mönch Theophil könne mit seinem Voodoo-Freibier ihrem Mann helfen, den Wettbewerb zu gewinnen. Und tatsächlich gibt der Mönch sein Geheimrezept preis: „Das Bier aus dem Kloster St. Demenz, jeder mag’s, keiner kennt’s.“

Richard Glöckner als Pilger Klaus (Foto Dirk Rückschloß/Pixore Photography)

Absurde Geschichten und simple Reime mit Schmäh als wesentliche Ingredienzen des Librettos entsprechen also durchaus ­Daniel Behles Reinheits-Gebot für Operetten. Und dieser Unsinn hat Methode, das verraten schon die Namen der Figuren. Da gibt es eine Senta und einen segelnden ­Holländer namens Bernd. Doch zusammen können sie nicht kommen, denn sie liebt die Berge (Senta ­Berger!), er die See. Als sie ihm einen Korb gibt, besingt er die „Wunde von Bernd“. Einer der vielen Lacher bei der Uraufführung in Annaberg-Buchholz. Bei Behle bekommt Senta also nicht den Holländer, sondern den ­Pilger Klaus: Senta Klaus! Und wo braut Max sein Freibier? In der Wolfsbucht.

In Daniel Behles Werk wimmelt es von Kalauern und Opern-Anspielungen, sowohl in den Gesangstexten als auch in der Musik. Ein Einfall jagt den nächsten, die Witze zünden, die Schlager auch, und doch wird letztlich keine Operette daraus. Dafür ist es zu überladen, dafür mischt Behle zu viele Opern-Anklänge in seinen wilden Stilmix. Dabei gibt es durchaus echte, wunderbar tänzerische Operetten-Nummern, sogar Musical-­Schmachtfetzen, aber eben auch Richard Strauss. Und ihm huldigt Behles Orchester allzu hingebungsvoll. Das macht es den Sängern schwer und deckt vor allem den Text zu, der ­Behle sonst so wichtig ist. Weniger wäre hier mehr. Das Publikum verstünde besser, was gesungen wird, und hätte auch mal Luft zum Nachsummen der durchaus vorhandenen Ohrwürmer. Denn Behle hat tatsächlich Talent für die Operette. Und er hat den in der seriösen Musik so seltenen Mut zum Gassenhauer.

Seine blühende Phantasie treibt auch im Libretto die buntesten Blüten, nur eine Geschichte erzählt sie nicht. Nicht einmal die Liebesgeschichte von Senta Klaus ist nach vielversprechendem Beginn von Bedeutung. Weder ­Familie noch Gesellschaft verhalten sich dazu. Überhaupt scheinen die Bewohner der beiden Dörfer Ölsum und Meersum keine anderen Probleme zu haben als ihren Bierbrauwettbewerb. Es bleibt aber sogar unklar, warum der so wichtig ist und wofür er überhaupt steht. Stattdessen gibt es ein Überangebot an skurrilen Nebenfiguren – angefangen beim Mönch Theophil, dem Sündensucher im Norden, bis hin zu Letty, der Lady Macbeth der Wolfsbucht. Schöne Episoden, die aber bei weitem keine dramatischen Situationen ergeben. Erst im großen Finale werden die vielen Handlungsstränge verdichtet – gekrönt vom Auftritt von Mama Cervisia, gesungen von Renate Behle, der Mutter des Komponisten.

Komponist Daniel Behle mit Librettist Alain Claude Sulzer (Foto Kostas Maros/LLH Productions)

Phantasie und der alte Zauber des Theaters

Die Aufführung in Annaberg-Buchholz macht das Beste aus dem Handlungs-Wirrwarr, bedient sowohl den Klamauk als auch die Poesie. Regisseurin ­Jasmin Solfaghari beherrscht ihr Handwerk und hat viele Ideen: Sie lässt ­Schafe singen, Bayern platteln und findet für jede Figur eine passende Haltung. Die bis ins kleinste Detail fantasievolle Ausstattung von Walter Schütze verleiht der Inszenierung zusätzlichen Reiz und manchmal sogar einen altmodischen Theaterzauber. Da vergisst man gern, dass das Ensemble des Eduard-von-­Winterstein-Theaters sängerisch bisweilen an seine Grenzen stößt und auch die Erzgebirgische Philharmonie Aue der Fülle des Wohlklangs à la Richard Strauss nicht immer gerecht wird. Das Publikum jedenfalls ist begeistert.

Am Morgen danach schreibt Daniel Behle auf seiner Facebook-Seite: „‚­Hopfen und Malz‘ entpuppt sich für mich nach dieser vom Publikum gefeierten Uraufführung als Zwitter zwischen Oper und Operette. Eine Erfahrung, die man am Schreibtisch nicht vorhersehen konnte.“ Für die geplanten Folgeproduktionen besteht also noch Hoffnung, dass Behle sich für die ­Operette entscheidet. Vor allem aber sollte er mit seinem Librettisten Alain Claude Sulzer beherzt den Rotstift zücken und die Lehren aus dieser Feuerprobe in Annaberg-­Buchholz ziehen. Es lohnt sich, denn „Hopfen und Malz“ ist noch lange nicht ausgegoren.

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe März/April 2023

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Die Diplomatie der Menschlichkeit

Das Israelische Staatsorchester zu Gast in Abu Dhabi

Das Israelische Staatsorchester zu Gast in Abu Dhabi

von Iris Steiner

Noch vor sieben Jahren hätte der Dirigent mit israelischem Pass nicht einmal einreisen dürfen nach Abu Dhabi – im vergangenen Dezember kam Lahav Shani zum ersten Mal und brachte gleich das ganze Staatsorchester mit. Der Nachfolger von Zubin Mehta in dieser Funktion und designierter Chef der Münchner Philharmoniker dirigierte an diesem Abend des 20. Dezember 2022 – der neue Fußball-Weltmeister Argentinien verlässt gerade Katar – 600 km weiter und weitaus weniger beachtet von der Weltöffentlichkeit ein politisch höchst bedeutendes Konzert. Während israelische Fußballfans nach Katar nur mit Ausnahmegenehmigung einreisen durften, spielte das 100-köpfige Israel Philharmonic Orchestra (IPO) vor illustrem Publikum im Konzertsaal des Emirates Palace. Einträchtig nebeneinander in der ersten Reihe: Staatschef Scheich Abdullah bin Zayid Al Nahyan mit mehreren Ministern seines Kabinetts, Israels First Lady Michal Herzog und der erste jüdische Rabbi in den Vereinigten Abarischen Emiraten, Levi Duchman. „Ich muss Ihnen nicht sagen, was es für uns Israelis bedeutet, die Möglichkeit zu haben, einer arabischen Nation näher zu kommen“, schwärmt Shani. „Es fühlt sich nicht an wie ein 100-jähriger schwelender Konflikt, sondern nur wie ein Schritt dorthin, worauf wir alle seit vielen, vielen Jahren hoffen.“

Links Scheich Abdullah bin Zayid Al Nahyan und Rabbi Levi Duchman im angeregten Pausengespräch. Rechts feierlicher Konzertbeginn mit den National­hymnen ­Israels und der VAE: Regierungschef Scheich Abdullah und Israels First Lady ­Michal ­Herzog umgeben von zahlreichen Würdenträgern (Fotos Nina Berger)

Jede Zeit ist eine gute Zeit für den Frieden

84 Jahre nach dem letzten Auftritt in ­Kairo – der israelische Staat existierte 1938 noch gar nicht – fand damit wieder ein Konzert des IPO auf arabischem Boden statt, zustande gekommen auf der Basis des 2020 unterzeichneten „Abraham-­Abkommens“ zwischen dem damaligen und aktuellen israelischen Ministerpräsidenten ­Benjamin ­Netanjahu, Scheich ­Abdullah und – Donald Trump. Im Mittelpunkt des Vertrags: der erklärte Wille zur Verbesserung der Beziehungen auf diplomatischer, wirtschaftlicher, ­militär- und kulturpolitischer Ebene. In ­Europa noch weitgehend unbeachtet, hatte dieses Abkommen nicht zuletzt die ­erste offizielle jüdische Gemeinde der ­Emirate sowie eine israelische Botschaft in Abu Dhabi zur Folge.

„Wir machen das auch für unsere Jugend“

Der deutsche Literaturwissenschaftler Dr. Ronald Perlwitz, Leiter des Musikprogramms im Kultur- und Tourismusministerium des Landes, sieht das historische Konzert der Israelis – abgesehen von ein paar diplomatischen Hürden im Vorfeld – als „gelebtes und gelungenes Ergebnis“ der Abraham-Vereinbarung. „Im Mittelpunkt unseres Interesses steht die generelle Weltoffenheit. Klassische Musik ist universelle Kunst, wir möchten sie unseren Einwohnern näherbringen und holen dafür die besten Solisten und Orchester ins Land.“ Ebenfalls Teil der ­Vereinbarung sind ­Arbeitsproben des einheimischen Jugendorchesters mit den Musikern des IPO, da „ein ganz wichtiger Grund, warum wir das machen, auch die kulturelle und musikalischer Bildung unserer Jugend ist“, so Perlwitz. Man übernehme damit die Rolle europäischer Familientraditionen, Kinder in die klassische Musik einzuführen. Etwas, das in der arabischen Welt nicht unbedingt der Fall und in Europa ebenfalls rückläufig ist. „Wir finden es wichtig, den Musikkonsum von Jugendlichen über die reine Unterhaltungsfunktion hinauszuführen und ihnen zu zeigen, dass Musik auch Kunst sein kann.“

Ein in den Emiraten ­ungewohntes Bild: der Perkussionist des ­Orchesters mit der traditionellen ­jüdischen Kopfbedeckung Kippa (Foto Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi / Abu Dhabi Culture)

2021 wurde Abu Dhabi von der ­UNECSO zur „City of Music“ ernannt. Ein Titel mit Verpflichtung. Perlwitz weiß um die vielen formellen Hürden schon bei der Bewerbung. „Unser wichtigstes Argument war wahrscheinlich, dass wir eine sehr tolerante Stadt mit vielen Nationalitäten sind, die hier gut zusammenleben. Wir möchten den Kontakt untereinander verstärkt auch durch unterschiedlichste Musik auf höchstem Niveau verbessern.“ Eine „arabische Version der Völkerverständigung“ nennt er das – mit für Europäer ungewohntem Blick auf die eigene Tradition. „Unsere Gesellschaft ist geprägt von der Universalität der Aufklärung, von der Dominanz der Vernunft: Alle müssen irgendwann vernünftig werden. Hier im arabischen Raum ist das anders. Es gibt starke Traditionen und eine tiefe Verankerung in der eigenen Identität. Aber auch den Wunsch, andere Lebensweisen kennenzulernen, in Dialog zu treten, sich auszutauschen – und beispielsweise zusammen zu musizieren.“

Dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar seitens der westlichen Welt so stark in der Kritik stand, sieht der Deutsche, der seit 2006 in Abu Dhabi lebt und arbeitet, recht distanziert. „Wir kommen mit unseren Werten und erwarten, dass andere sie teilen – ein jahrhundertealtes europäisches Problem. So geht es aber nicht. In einer globalisierten Welt muss man lernen, andersdenkende Gesellschaften zu respektieren, auch wenn es das eigene Wertesystem infrage stellt. Und solange große westliche Modeketten in Bangladesch oder Indien zu Dumpinglöhnen produzieren lassen, wäre ich auch sehr vorsichtig mit Kritik an ausbeuterischen Arbeitsbedingungen. Wer sind wir, dass wir die Menschen hier so arrogant belehren?“

Normalität ist möglich

Dass der Dialog gerade auf kultureller Ebene tiefgreifende Ergebnisse erzielt, ist für Perlwitz einer der Gründe für den Erfolg von „Abu Dhabi Classics“. „Wir hatten vor einigen Wochen das Concertgebouw Orchestra ­Amsterdam hier, dann das Trio Joubran aus Palästina, einen Tag später das ägyptische Jazz-Trio Abozekrys, kurz darauf den größten indischen Sitar-Spieler, ­Shujaat Khan – und jetzt das IPO.“ Ohne die vorhandenen Spannungen zwischen Israel und der arabischen Welt zu leugnen, setzt er auf die verbindende Kraft der Musik: „Solche Konzerte wie dieses sind für mich ein starkes Zeichen für den Frieden und dass es eine Normalität ­geben kann.“

Lahav Shani (Foto Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi / Abu Dhabi Culture)

Auf dem Programm steht Mahlers „Titan“-Sinfonie, benannt nach Jean Pauls gleichnamigem Roman und stark beeinflusst vom Zeitgeist der deutschen Romantik. Ein Werk, das besonders gut zum Orchester passt, wie ­Lahav Shani betont. „Mahler entstammte ja einer jüdischen Familie und zumindest in dieser Ersten Sinfonie hat ihn die jüdische Musik bis zu einem gewissen Grad beeinflusst. Wir wollten etwas mitbringen, von dem wir glauben, dass es die Geschichte des Orchesters in vielerlei Hinsicht erzählt.“ Literaturwissenschaftler Perlwitz sieht noch eine weitere Verbindung: „Mahlers Hommage an die deutsche Romantik zeigt, wie sehr dieses Gedankengut damals ein Universelles war: Du musst Deine Identität und Deine Wurzeln kennen und auf dieser Basis kannst Du mit anderen in Kontakt treten. Eine Denkweise, die der Kultur hier sehr nahe ist. Und wir Deutschen sollten uns gelegentlich mal daran erinnern.“

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe März/April 2023

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Kunst als Mahnung

Oleksandr Rodins zeitgenössische Oper „Kateryna“ per Stream aus dem Opernhaus Odessa

Oleksandr Rodins zeitgenössische Oper „Kateryna“ per Stream aus dem Opernhaus Odessa

Wie soll man objektiv bleiben bei einer Opern-Uraufführung, deren reale Begleitumstände ähnlich ans Herz gehen wie das tragische Schicksal der Titelheldin? Ursprünglich geplant war die Premiere von Oleksandr Rodins „Kateryna“ in Odessa bereits für den 27. März 2022 – ein Unterfangen, das durch den russischen Angriffskrieg vereitelt wurde. Nicht zuletzt, weil zahlreiche Beschäftigte des Theaters sich freiwillig zum Militär meldeten. Andere Mitwirkende erzählen in den sozialen Medien Geschichten von Bombenangriffen, vor denen man in einem Bunker unterhalb des Theaters Schutz suchte. Drei Monate blieb es geschlossen, ehe man im Juni den Spielbetrieb allen Umständen zum Trotz wieder aufnahm. Die nachgeholte Uraufführung von „Kateryna“ am 17. September 2022 grenzte so fast schon an ein Wunder und war ein kleines Stück Normalität im Wahnsinn des Krieges. Vielmehr: Es wurde zum wichtigen Dokument ukrainischen Musiktheaters, von dem man sich nun auf digitalem Wege selbst ein Bild machen kann. Jetzt, zum Jahrestag des offiziellen Kriegsbeginns am 24. Februar, ging bei ARTE Concert die Aufzeichnung einer Folgevorstellung auf Sendung, abrufbar für drei Monate.

Die Geschichte hinter der Geschichte ist dabei natürlich nur schwer auszublenden. Schon die literarische Vorlage zu „Kateryna“ erzählt unterschwellig von der alles andere als unbelasteten Vergangenheit der beiden Länder. In seinem gleichnamigen Gedicht erzählt Taras Schewtschenko von einer jungen Ukrainerin, die sich in einen russischen Soldaten verliebt und später dessen Kind zur Welt bringt. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg ist er schwer gezeichnet und weist Kateryna schroff zurück, die seine Reaktion als Verrat empfindet, daran zerbricht und schließlich Selbstmord begeht.

Komponist Oleksandr Rodin (*1975) verarbeitet dieses ebenso packende wie berührende Schicksal mit viel folkloristisch anmutendem Lokalkolorit, großen polyphonen Chortableaus und urwüchsig tönenden Naturbildern. Passend zur idyllischen Mitsommernacht, deren unwirkliche Stimmung in der eingängigen Partitur ebenso eingefangen wird wie die damit verbundenen heidnischen Rituale – in der Tradition der großen slawischen Komponisten Seite an Seite mit christlichen Motiven. Eine mehr als dankbare Aufgabe für Dirigent Vyacheslav Chernukho-Volich, der mit seinen Musikerinnen und Musikern im Graben einen großen emotionalen Bogen spannt, dabei hin und wieder auch die Grenzen zum Kitsch überschreitet, mit diesen bewusst ins Überlebensgroße gesteigerten Momenten aber stets der Geschichte treu bleibt.

Die größte Produktion des Hauses seit der Ukrainischen Unabhängigkeitserklärung 1991 (Foto Odessa National Opera/Dmytro Skvortsov)
Die größte Produktion des Hauses seit der Ukrainischen Unabhängigkeitserklärung 1991 (Foto Odessa National Opera/Dmytro Skvortsov)

Nachdem sich der Vorhang öffnet, beschwören flirrende Streicher, begleitet von Glockenspiel und Harfenakzenten eine geradezu traumhafte Atmosphäre herauf. Ergänzt um einige vom Komponisten selbst gebaute Instrumente, mit denen er Klangphänomene wie das Schmelzen von Eis hörbar machen will. Zugewiesen sind diese überwiegend den klassischen Figurentypen des Wandertheaters, das in der Ukraine unter dem Namen „Vertep“ bekannt ist. Und so begegnet man in der ebenfalls heimatverbundenen Inszenierung von Oksana Taranenko zunächst einer fahrenden Truppe, die Katerynas Geschichte zur Aufführung bringt. Wobei sich neben dem tragischen Protagonisten-Paar auch Engel, Teufel, eine Hexe und die allegorische Figur des Todes gesellt, dem Christian Nikulytsya die notwendige Autorität verleiht. Dreh- und Angelpunkt des homogen besetzten Ensembles bleibt dabei immer Titelheldin Yulia Tereshchuk, die mit ihrem markant timbrierten Sopran ein anrührendes Rollenportrait zeichnet und Kateryna keineswegs nur als Opfer, sondern als ebenso vielschichtige wie selbstbewusste Frau auf die Bühne gestaltet.

Eine wichtige Produktion mit Signalwirkung, die eindrucksvoll beweist, über welches künstlerische Potenzial Odessa und die Ukraine verfügen. Gleichzeitig aber auch eine Ermahnung, dass der fast schon zum Alltag gewordene Krieg mit seinen Schreckensszenarien auf gar keinen Fall zur neuen Normalität werden darf. Mit den Worten von Taras Schewtschenko: Слава Україні!

Tobias Hell

kostenfreier Stream bis 26. Mai 2023 auf ARTE Concert

„orpheus“ in neuem Verlag

Unter dem verlegerischen Dach des Theaterverlags Friedrich Berlin machen wir uns auf zu neuen Zielgruppen

Unter dem verlegerischen Dach des Theaterverlags Friedrich Berlin machen wir uns auf zu neuen Zielgruppen

Anlässlich seines 50. Geburtstags macht sich der „orpheus“ ein besonderes Geschenk: Zum 1.1.2023 geht das traditionsreiche Magazin unter das Dach des renommierten Theaterverlags Friedrich Berlin und erscheint zukünftig mit der „Opernwelt“, „Theater heute“, „tanz“ und „Bühnentechnische Rundschau“ im Umfeld aufmerksamkeitsstarker Kulturmedien und Fachzeitschriften.

„Unsere Vision der vergangenen Jahre, ‚orpheus‘ als informatives Publikumsmedium rund um Oper und Musiktheater zu positionieren, ist aufgegangen“, freut sich Chefredakteurin Iris Steiner, zugleich Geschäftsführerin des Orpheus Verlags. „Jetzt erklimmen wir die nächste Stufe und erobern unter dem Stichwort ‚fachkundiges Infotainment‘ vom Augsburger Redaktionsstandort aus den breiten Markt begeisterter Musiktheaterfans im gesamten deutschsprachigen Raum.“ Auch unter neuem Herausgeber erscheint der „orpheus“ unverändert im Zwei-Monats-Rhythmus, das bewährte Team der Orpheus Verlags GmbH um Chefredakteurin Iris Steiner zeichnet auch zukünftig verantwortlich für redaktionelle Inhalte. Vor allem in den Bereichen Marketing und Kommunikation kann der Theaterverlag Friedrich Berlin mit vorhandenen strategischen Möglichkeiten und diversen Win-Win-Partnerschaften beim Ausbau des Magazins neue Akzente setzen. Zum zukunftsfähigen Erscheinungsbild des „orpheus“ setzt man dazu auch gemeinsam auf einen verstärkten, sanften Ausbau des digitalen Angebots.

„‚orpheus‘ ist eine wunderbare Ergänzung zu unseren bisherigen Titeln, insbesondere zur ‚Opernwelt‘“, so die Geschäftsführer des Theaterverlages Torsten Kutschke und Sönke Reimers. „Im Jahresblick gibt es kaum inhaltliche Überschneidungen bei Themen, beide Medien haben ihre eigene Handschrift, die sie auch beibehalten werden. Sie sind hoch anerkannt und haben über Jahre hinweg ihre jeweilige Leserschaft gefunden.“ 

Ambitioniertes Kleinod

Das Budapester „Haydneum“ bringt neuerdings Ergebnisse intensiver Forschungsarbeit zum Klingen

Das Budapester „Haydneum“ bringt neuerdings Ergebnisse intensiver Forschungsarbeit zum Klingen

von Tobias Hell

Die historisch informierte Aufführungspraxis gehört für die Meisterwerke des Barock heute ebenso zum guten Ton wie bei Komponisten vom Rang eines Mozart oder Beethoven. Waren es in den 1970er Jahren einzelne Pioniere wie Nikolaus Harnoncourt, die wichtige Aufbauarbeit leisteten, haben sich inzwischen zahlreiche Originalklang-Ensembles und Festivals etabliert, die längst nicht mehr nur ein Spezialisten-Publikum anlocken. Ein neuer Anziehungspunkt ist das 2021 ins Leben gerufene „Haydneum“ in Budapest. Wobei der Namensgeber mit seinen Kompositionen zwar den Dreh- und Angelpunkt im Programm bildet, dieses jedoch keineswegs dominiert und es so, selbst für Kenner, immer wieder die eine oder andere Rarität zu entdecken gibt. Ein ambitioniertes Projekt, das sich nicht nur im jährlichen Herbstfestival, einem Festival für geistliche Musik sowie Kammermusik-Konzerten auf Schloss Esterházy in ­Fertőd ­manifestiert.

Dem künstlerischen Leiter Benoît Dratwicki und seinem Team geht es nicht einfach nur darum, internationale Künstlerinnen und Künstler für hochkarätige Konzerte nach Budapest zu holen. Sie wollen auch tief in die Musikgeschichte der Donau-Metropole eintauchen und gleichzeitig eine neue Generation dafür begeistern, sich mit alten Instrumenten und Spieltechniken auseinanderzusetzen. „Ungarn verfügte im 17. und 18. Jahrhundert über ein viel reicheres musikalisches Repertoire, als wir ursprünglich annahmen. Es gibt zahlreiche, nach wie vor wenig bekannte, ungarisch gebürtige oder ausländische Komponisten zu entdecken, die zwischen 1630 und 1830 hier wirkten. Diese Musik wieder zugänglich zu machen, ist der zweite Aufgabenbereich des Haydneums.“ Umso wichtiger ist daher die enge Kooperation mit der Nationalbibliothek, in deren Archiven zahlreiche Schätze liegen. Und es schwebt tatsächlich eine gewisse Ehrfurcht im Raum, wenn ­Dratwickis Kollegin Katalin Kim der zum Pressetermin geladenen Runde in andächtiger Stille Bücher mit historischen Bühnenbild-Entwürfen zeigt, Opern-Partituren mit persönlichen Korrektur-Einträgen von „Giuseppe Haydn“ oder handschriftliche Skizzen zu seinen für Esterházy geschaffenen Sinfonien und Oratorien.

Neben quellenkritischen Neuausgaben der Werke des Namenspatrons harren hier auch unzählige Kompositionen von Zeitgenossen wie Gregor Joseph Werner, Benedek Istvánffy oder Anton Zimmermann darauf, akribisch katalogisiert und anschließend ihrem Dornröschenschlaf entrissen zu werden. Ganz ähnlich der Arbeit, die der Palazzetto Bru Zane seit geraumer Zeit für die französische Oper der Romantik leistet. Nicht zufällig zählt der promovierte Musikwissenschaftler und zusätzlich an Cello und Fagott ausgebildete Benoît ­Dratwicki auch dort, gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Alexandre, zu den kreativen Köpfen hinter den Kulissen. Und wie bei den in Venedig ansässigen Kollegen ist man auch beim Haydneum mit begleitenden CD-Produktionen um künstlerische Nachhaltigkeit bemüht.

(Foto Haydneum/Pilvax Films)

Gestern und heute

Alt und Neu liegen in Budapest oft nah beieinander. Und so lockt das Festival zwar mit authentischer Interpretation an historischen Orten, präsentiert sich anlässlich des Eröffnungskonzerts, das vom Ensemble Le Concert de la Loge aus Paris bestritten wird, aber genauso ­gerne im hochmodern ausgestatteten Művészetek ­Palotája, dem Palast der Künste, den die Ungarn selbst gerne der Einfachheit halber nur kurz „MüPa“ nennen und der Opernreisenden vor allem durch die jährlich stattfindenden Wagner-Aufführungen von Ádám Fischer ein Begriff sein dürfte. Und ein bisschen Opernmusik findet sich dann natürlich ebenfalls im Programm des aktuellen Herbstfestivals – gleich am ersten Abend mit den Ouvertüren zu Salieris „Les Horaces“ oder Cherubinis „Démophon“. Während das jedoch nicht mehr als kleine Appetithappen sind, lässt sich zum Festival-Finale im prunkvollen großen Saal der Liszt-Akademie Haydns selten gespielte Oper „L’isola disabitata“ – leider nur in konzertanter Form – kennenlernen. „Das ist immer auch eine finanzielle Frage. Eine szenische Produktion braucht längere Vorbereitung und kostet auch mehr Geld“, erzählt Dirigent György Vashegyi zwischen den Proben. „Aber natürlich wäre es schön, auch einmal eine szenische Oper zu zeigen. Wenn sich zum Beispiel die Staatsoper für eine Kooperation begeistern lassen könnte, wären wir die letzten, die Nein sagen würden.“

Das Interesse am historisch informierten Klang wurde bei Vashegyi einst vor allem durch Helmuth Rilling geweckt, den er als 16-Jähriger erstmals bei einem Konzert in Budapest live erlebte und später im Rahmen mehrerer Meisterkurse auch als Pädagogen kennenlernen durfte. Ähnlich prägend die Begegnung mit John Eliot Gardiner. Dessen Bach-Interpretationen hinterließen tiefen Eindruck beim jungen Studenten und führten schließlich dazu, dass Vashegyi 1990 seinen Purcell ­Kórus (Purcell Chor) gründete und ein Jahr später mit dem Orfeo Zenekar (Orfeo Orchester) einen zweiten Klangkörper ins Leben rief, mit dem er sich auf die Musik des Barock und der Wiener Klassik spezialisierte – seit 1994 komplett auf historischem Instrumentarium. Dass man die ersten Jahre ohne externe Finanzierung oder staatliche Förderung überlebte, mutet rückblickend fast schon wie ein kleines Wunder an, bestärkt den Dirigenten aber in seinem Glauben an die Bedeutung des Projekts Haydneum.

Auch Vashegyi hat mit seinen Ensembles bereits in der Vergangenheit immer wieder Raritäten zutage gefördert und auf Tonträger dokumentiert. So etwa Gregor Joseph Werners Oratorium „Der gute Hirt“ oder „Des Kaiser Constantin I. Feldzug und Sieg“ aus der Feder von Josephs jüngerem Bruder Michael Haydn. Und so versteht es sich beinahe von selbst, dass er und seine Klangkörper auch im Konzertprogramm des Herbstfestivals prominent vertreten sind.

Geschichtsträchtige Spielorte

Spannende Vergleiche erlaubt da beispielsweise ein Konzert mit dem Purcell Kórus in der zwischen 1725 und 1742 erbauten Universitätskirche: Gleich drei kurze Messen für die Fastenzeit von Michael Haydn stehen auf dem Plan, die sowohl an Komplexität als auch in Intensität der Interpretation stetig zunehmen und das prunkvolle barocke Ambiente durch ihre anrührende Schlichtheit kontrastieren.

Ähnlich geschichtsträchtig der Konzert-Ort des folgenden Abends, der Beethoven-Saal des ehemaligen Karmeliterklosters. Thronend auf dem Burgberg am rechten Ufer der Donau – und mit einem traumhaften Blick auf die Stadt – bewohnte hier unter anderem bereits im 13. Jahrhundert König Béla IV. seine Residenz in strategisch günstiger Lage, ehe 2017 der amtierende Ministerpräsident seinen neuen Amtssitz bezog. Aus rein musikhistorischer Sicht reizt aber wohl eher das ebenfalls hier beheimatete ehemalige Burgtheater, in dem schon Beethoven konzertierte und das in seiner nüchtern renovierten Form den Schauplatz für das Gastspiel der Musica Aeterna aus Bratislava bildet. Das Ensemble von Konzertmeister Peter Zajíček widmet sich dabei neben einem kleinen Abstecher zu Haydn vor allem der Musik seines Zeitgenossen Anton Zimmermann, hat aber im ersten Teil des Abends mit leichten Intonationstrübungen zu kämpfen und kann erst auf der Zielgeraden mit der Cassatio in G-Dur wieder Boden gutmachen.

Petra Somlai interpretiert bei einem charmant selbst moderierten Konzert Beethoven auf dem Hammerflügel (Foto Haydneum/Pilvax Films)

Altbekanntes in neuem historisch informiertem Gewand wartet wiederum im nach ­Georg Solti benannten Kammermusiksaal der Liszt-Akademie, wo Pianistin Petra ­Somlai ­Beethoven am Hammerflügel interpretiert, was sowohl der „Mondscheinsonate“ als auch der „Pathétique“ eine andere Aura verleiht – sofern man bereit ist, sich bei diesen Dauerbrennern des Klavierrepertoires von modernen Hörgewohnheiten freizumachen. Leichter ist der Zugang da schon bei der Haydn Sonate in D-Dur Hob XVI:42 oder ­Beethovens Liederzyklus „An die ferne Geliebte“, bei dem sich offenbar auch Tenor Zoltán ­Megyesi immer mehr von den Qualitäten des weicheren Originalinstruments überzeugen lässt und im Zuge dessen auch seinen dramatisch gestählten Stimmbändern lyrischere Nuancen abtrotzt.

Mit seiner reichen Theaterszene, architektonischen Sehenswürdigkeiten und der gehaltvollen Küche ist Budapest das ganze Jahr über eine Reise wert. Doch für entdeckungsfreudige Klassikfans empfiehlt es sich angesichts solch ambitionierter musikalischer Entdeckungstouren durchaus, den nächsten Besuch vielleicht einmal mit dem Spielplan dieses kleinen, aber feinen Festivals zu synchronisieren.

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe Januar/Februar 2023

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Von künftigen Träumen

Klassik-Shootingstar Äneas Humm im Gespräch

Klassik-Shootingstar Äneas Humm im Gespräch

„Wunderkind“ und „OPUS Klassik-Nachwuchskünstler des Jahres“: Der junge Schweizer Bariton Äneas Humm hat sich mit gerade einmal 27 Jahren auf dem hart umkämpften Sängermarkt etabliert. Ein Gespräch über Erwartungsdruck, eine Generation im Lockdown-Modus, die Liebe zum Lied und zur Heimat – und die ­Schattenseiten einer nach außen hin weltoffenen Branche

Interview Florian Maier

Mit nur 19 Jahren widmete Ihnen das Schweizer Fernsehen eine Reportage: „Ein Wunderkind wird ­erwachsen“. Ein Titel, mit dem Sie sich wohlfühlen?
Ich finde, da ist nichts Wahres dran. Wenn man „Wunderkind“ hört, dann denkt man an Mozart oder an ­Schubert – und von denen bin ich kilometerweit entfernt. (lacht) Das eigentliche Wunder war, dass ich eine so reiche Ausbildung genossen habe als Kind, angefangen bei meiner Zeit als Zürcher Sängerknabe bis hin zu Jugendmusikwettbewerben. Da steckt harte Arbeit dahinter. Und viel Glück. Deshalb finde ich es so wichtig, Kinder und Jugendliche musikalisch zu fördern, sei es im Pop oder in der Klassik. Das öffnet so viele Türen im Leben.

Und doch war da immer der Erwartungsdruck „Weltkarriere“. Wie geht man damit um?
Gar nicht – ich denke immer von Vorstellung zu Vorstellung.

Sie haben die harte Bühnenrealität in einem Alter kennengelernt, als andere noch neben der Schule ihre Freizeit genossen haben. Hieß das oft auch zurückstecken?
Als Sänger steckt man immer zurück: nicht feiern, nicht trinken, nicht zu viel Spaß haben. Aktuell habe ich fünf Vorstellungen mit drei Partien hintereinander. Das schafft man nur mit einem durchgetakteten Plan und Disziplin. Aber die Musik gibt einem so viel und das ist das Schöne.

Bleibt da noch Zeit für Hobbys?
Seit etwa einem Jahr treibe ich sehr viel Sport. Das Auspowern tut mir auch für die Bühne unglaublich gut. Und natürlich besuche ich sehr gerne meine Familie und treffe Freunde. Das ist ja das Tolle als Musiker: Egal wo man hinkommt, man kennt eigentlich immer jemanden.

Väterlicherseits bringt Ihre Familie seit Generationen Künstlerpersönlichkeiten hervor: Schriftsteller, ­Maler und Bühnenbildner, Schauspieler, Keramiker. War Ihr Weg quasi vorgezeichnet?
Geprägt hat mich das auf jeden Fall. Wobei selbst mein Großvater Ambrosius Humm, der in ganz Europa Bühnenbilder entworfen hat, nie sonderlich opernaffin war – da bin ich tatsächlich der Erste. (lacht) Aber natürlich wurde mir durch meine Familie sehr früh ganz generell der Zugang zu Theater, Kunst und Musik eröffnet.

Ein Plan B kam nie infrage?
Doch, aber der ist auch künstlerischer Natur. Ich denke jetzt noch nicht ans Aufhören, finde es aber wichtig sich zu fragen: Was würde ich machen, wenn es plötzlich nicht mehr weitergehen sollte mit dem Gesang? Dann würde ich eines Tages gern die Seiten wechseln, weil ich mich wahnsinnig für künstlerische Planung, Operndirektion und Casting interessiere.

Schätzen Sie Ihre Laufbahn in dieser Hinsicht als Vorteil ein?
Eigene Bühnenerfahrungen halte ich bei Casting-Direktoren nie für verkehrt. Jemand plant ganz anders, wenn er weiß, wie es ist, so oft aufzutreten, und welche Regenerationszeiten man beachten sollte.

Die Opernhäuser dürfen für die nächsten Jahrzehnte also schon mal ihre Kalender zücken?
Sehr gerne. (lacht)

Von künftigen Träumen zurück zum aktuellen Aufbau Ihrer Karriere: Wurde diese durch Corona ausgebremst?
Ich hatte im Gegensatz zu vielen anderen das Glück, während all der Lockdowns fest engagiert gewesen zu sein. Aber der größte Rückwurf passierte tatsächlich während meiner Zeit in Weimar, als mich der damalige Operndirektor anrief: „Äneas, es tut mir leid, aber wir müssen die ‚Così‘ komplett absagen.“ Ich habe das erst nicht realisiert, dachte, es ginge um zwei oder drei Vorstellungen. Ein paar Minuten später meldete er sich direkt noch einmal: „Achja, ‚Ariadne‘ ist abgesagt, ‚West Side Story‘ auch – es ist alles abgesagt.“ Da habe ich ihn gefragt, was ich denn jetzt bitte noch machen soll. Und er meinte nur: „Ich weiß es auch nicht. Fahr nach Hause …“

Und dort?
Ich habe versucht, meine Stimme fit zu halten, viel geübt, über Zoom Unterricht bei meinem Lehrer genommen.

Und Sie sind mitten in der laufenden Spielzeit 2019/20 nach Karlsruhe gewechselt.
Genau. In Weimar wurde alles abgesagt und was in meiner zweiten Saison gekommen wäre, war überhaupt nicht klar. Ich habe also um Vertragsauflösung gebeten und konnte in Karlsruhe an einem größeren Haus den nächsten Karriereschritt mit sehr schönen Partien machen: „Die Zauberflöte“, „Don Pasquale“, „Die schweigsame Frau“, Schumanns „Faust“-Szenen. Abgesehen von „Don Pasquale“ musste zwar wieder ­alles abgesagt ­werden, aber das Einstudieren hat sich auf jeden Fall gelohnt.

In der laufenden Spielzeit ist Äneas Humm Ensemblemitglied am Theater St.Gallen und dort unter anderem als Dr. Falke im Johann-Strauss-Klassiker „Die Fledermaus“ zu erleben (Foto Ludwig Olah)

Erst Weimar, dann Karlsruhe, jetzt St. Gallen: sehr schnelle Schritte in Ihrem jungen Alter.
Ganz unabhängig von der Pandemie bin ich eigentlich immer wegen der mir angebotenen Partien gewechselt. Es gibt natürlich Stimmen, die meinten: „Das sieht nicht gut aus, dass du schon so oft das Haus gewechselt hast.“ Aber wegen Corona sind zwei Jahre verstrichen, in denen wichtige Erfahrungen ausgeblieben sind und das für eine sängerische Laufbahn nötige Rollenpaket nicht wirklich erarbeitet werden konnte. In zehn Jahren wird man das in vielen Lebensläufen merken, wenn man die nächsten Schritte nicht jetzt plant. Als dann der St. ­Galler Operndirektor Jan Henric Bogen mit dem Angebot auf mich zukam, eine Spielzeit hier Ensemblemitglied zu werden und unter anderem den Papageno und Dr. Falke zu singen, fiel mir die Entscheidung nicht schwer.

Und was kommt danach?
Ab der kommenden Saison werde ich freischaffend sein. Eine Entscheidung, die ich in den letzten Wochen gefällt habe. Man hat in einem Festvertrag das Glück, „durchbezahlt“ zu werden, aber natürlich auch die Verpflichtung, immer auf Abruf zu sein. Das ist mit einer Karriere, die sicherlich zur Hälfte konzerttätig ist, sehr schwer zu vereinbaren. Im Sommer gebe ich meine Debüts beim Heidelberger Frühling und beim Lucerne Festival und kehre dann als Agrippa in John Adams’ neuester Oper „Antony and Cleopatra“ ans Gran Teatre del Liceu zurück – Adams selbst dirigiert. Daneben sind Hausdebüts an der Staatsoper Hamburg und dem MusikTheater an der Wien sowie einige schöne Liederabende und Konzerte geplant. Ich freue mich also auf diverse neue Herausforderungen.

Sie sprechen es an: Abseits der Opernhäuser trifft man Sie auch regelmäßig in den Konzertsälen an, wo Sie sich dem Lied widmen. Ihre zweite Leidenschaft?
Absolut! Wenn man so jung anfängt zu studieren wie ich, ist der ganze Körper ja noch im Wachstum. Und man selbst immer ein bisschen „in Warteschleife“, weil man nie weiß, wann sich die Stimme wirklich gesetzt hat und man endlich richtig loslegen kann. Viele Arien waren in dieser Zeit einfach noch nicht möglich, Lieder aber schon. Daraus hat sich dann eine langjährige Liebe entwickelt.

Die jetzt mit einem OPUS Klassik als „Nachwuchskünstler des Jahres“ für Ihre CD „Embrace“ – ein klug konzipiertes Programm mit Liedern von Fanny ­Hensel, Franz Liszt, Viktor Ullmann und Edvard Grieg – belohnt wurde. Waren Sie überrascht?
Mich haben zuvor ein paar befreundete Intendanten angerufen, die meinten: „Du bist in drei Kategorien nominiert, da gewinnt man immer eine.“ Ich wollte mir trotzdem nicht zu viele Hoffnungen machen. Man kennt den OPUS als die große, abendfüllende, opulente Sendung, bei der immer bekannte Gesichter ausgezeichnet werden. Als dann mein Label anrief und mir die Nachricht mitgeteilt hat, habe ich nur gefragt: „Was? Ich? Haben die meine CD auch wirklich gehört?“ (lacht)

Seine Liebe zum Liedgesang brachte Humm 2022 die Ehrung als „OPUS Klassik-Nachwuchskünstler des Jahres“ ein (Foto Markus Nass)

Gibt es gesangliche Vorbilder, an denen Sie sich orientieren?
Eines meiner größten Vorbilder ist Renée Fleming. Sie hat eine Karriere gemacht, wie sie im Buche steht: alle Genres, immer gepflegt, immer wunderbar gesungen. Oder auch Hermann Prey. Der hatte eine ganz andere Stimme als ich und ich will ihn überhaupt nicht kopieren. Aber ich finde es wahnsinnig beeindruckend, wie eine so schwere Stimme auch so liebevoll klingen kann.

Nun treffen wir uns hier gerade in St. Gallen, Ihrer aktuellen Wirkungsstätte. Und nicht einmal 200 km weiter wird Regula Mühlemann am Theater Basel im Januar ihre erste Gilda singen. Bleiben Schweizer Klassikstars denn gern daheim?
(lacht) Ich bin jemand, der es liebt, daheim zu sein. Das ist auch etwas, was ich an diesem Leben nicht mag: das ständige Unterwegs-Sein. Regula geht es da vielleicht ähnlich. Und das Publikum freut sich, weil sie Leute sehen, die sie kennen. Was vielleicht bei all den leidigen politischen Diskussionen um Subventionskürzungen für die Kultur auch einen positiven Identifikationseffekt haben kann.

Sind denn die Folgen der Pandemie kulturpolitisch auch hier schon spürbar?
Leider ja. Gerade bei kleinen Veranstaltern, aber auch bei den großen Häusern sinken die Etats und damit auch die Gagen für die Musikerinnen und Musiker. Als Beispiel: Die St.Galler Festspiele finden künftig nur noch alle zwei Jahre im Stiftsbezirk statt, dazwischen in kleinerer Form außerhalb der Stadt – warum auch immer. Meiner Meinung nach sollten wir gerade jetzt in Kultur investieren und sie dem Publikum durch günstigere ­Tickets zugänglicher machen …

Auf Ihren Social-Media-Kanälen haben Sie kürzlich auch die Vorurteile angeprangert, Sie seien „zu schwul“ und zu „groß“ für die Oper. Diese Aussagen haben mich überrascht, weil sich doch gerade die Theaterbranche sehr weltoffen gibt und nach außen immer für Toleranz eintritt. Haben Sie da andere Erfahrungen gemacht?
Man erlebt leider sehr viel – auch Kritik, die über das Fachliche hinausgeht … Es gab immer wieder Personen in Vorsingen, die wegen meiner sexuellen Ausrichtung zu mir gesagt haben: „Sie müssen lernen, wie ein Hetero-­Mann über die Bühne zu laufen.“ Oder: „Sie sind zu groß, Sie werden nie einen Papageno singen“ – nur weil ich eine Körpergröße von 1,96 m habe. Als ich mich in unserer Inszenierung von Joseph Bolognes „L’amant anonyme“ in Frauenkleidern auf der Bühne bewegen sollte, dachte ich nur: Zum Glück habe ich nicht auf diese Leute gehört. Als junger Mensch ist solche vorurteilsbehaftete Kritik nicht leicht wegzustecken – Gott sei Dank habe ich es geschafft, zu mir selbst zu stehen!

Sind das Einzelfälle oder würden Sie die Klassikszene als verkappt diskriminierend einstufen?
Ich glaube, in jeder Branche steckt das traurige Poten­zial zu Diskriminierung. Dazu gehören die Menschen, die darin arbeiten, bis zu denjenigen, die von außen dazustoßen. Die Oper ist in meinen Augen gerade wirklich in einem Wandel, wo Diskriminierung endlich immer mehr hinter uns gelassen wird. Aber es braucht Intendantinnen und Intendanten, die vehement gegen so etwas vorgehen und ein diverses Ensemble auf die Bühne und damit auch in die Gesellschaft stellen, sodass wir uns selbst in den Opern und Theatern wiedererkennen können.

Dieses Interview ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe Januar/Februar 2023

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Zum Tod von Franz Hummel

Musikalischer Nachruf auf einen, der in keine Schublade passen wollte

Musikalischer Nachruf auf einen, der in keine Schublade passen wollte

Generell bieten die Sinfoniekonzerte der Meininger Hofkapelle viel Zeitgenössisches. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Werken, die hohen kompositorischen Standard mit Vorliebe für tonale und freitonale Strukturen vereinen. Zum Beispiel Kompositionen von Thomas Adès, Peter Ruzicka, Peter Leipold oder Detlev Glanert, dessen „Frenesia“ aus dem 2. Sinfoniekonzert „Leidenschaften“ zu Beginn dieser Spielzeit herausgenommen wurde. Denn am 20. August 2022 war der durch Opern wie „Gesualdo“ (Kaiserslautern 1996), „Der Richter und sein Henker“ (Erfurt 2008) oder „Zarathustra“ (Regensburg 2010) bekannte Komponist und Pianist Franz Hummel im Alter von 83 Jahren gestorben. Nun galt es, ihn mit einer Programmänderung zu würdigen.

Jens Neundorff von Enzberg, als Intendant 2021 vom Theater Regensburg an das Staatstheater Meiningen gekommen, schätzte in Hummel einen intelligenten und experimentierfreudigen Grenzgänger zwischen Stilen und Genres, dessen Musical „Ludwig II. – Sehnsucht nach dem Paradies“ er in Regensburg erstmals an ein Subventionstheater gebracht hatte. Auch den Kompositionsauftrag zum 2016 vom Philharmonischen Orchester Regensburg uraufgeführten Klavierkonzert Nr. 2 „Krieg und Frieden“ hatte Neundorff von Enzberg erteilt. Hummels Stiefsohn Yojo Christen spielte den Solopart nach Regensburg auch in Meiningen, die Witwe und künstlerische Nachlassverwalterin Susan Oswell besuchte das Konzert.

Hummels Opus, das im Titel mit der an den Beginn gesetzten Ouvertüre zu Sergej Prokofjews Tolstoj-Oper „Krieg und Frieden“ korrespondiert, stand zwischen zwei queeren Klangikonen des Konzertrepertoires: dem schon lange zum Kultstück gewordenen Adagio für Streicher op. 11 von Samuel Barber und Tschaikowskis sechster Sinfonie h-moll op. 74. Christen verbarg die beträchtlichen Schwierigkeiten von Hummels Partitur hinter spielerischer Leichtigkeit und artistischer Bravour. Den letzten Satz des halbstündigen Konzertstücks hatte Christen selbst komponiert und diesem so einen nur vermeintlich burlesken Abschluss gegeben, der Ernst mit Exaltation camoufliert. Hummels Einstieg in den Kopfsatz „Patriotischer Aufmarsch und Schlacht“ flirtet unverhohlen mit dem Beginn von Tschaikowskis b-Moll-Klavierkonzert, nimmt danach allerdings ganz andere Wendungen. Die Streicher eilen mit Fluten und Böen durch die fülligen und scherzo-artigen Attacken. Der Piano-Part durchmisst alle Affekte fast ohne Innehalten und wendet sich mit fintenreicher Hymnik an die Hörer. Die Meininger Hofkapelle unter GMD Philippe Bach nahm die gestenreiche wie dramatisch sprunghafte Partitur als leichtfertige Leistungsschau und lässig bewältigten Präzisionsnachweis. Das hätte auch Franz Hummel gefallen.

Roland H. Dippel

Ein ausführliches Porträt zu Franz Hummel erscheint in unserer Ausgabe Januar/Februar 2023.

No Business Like Show Business

Der Musical-Studiengang der Theaterakademie August Everding feiert sein 25-jähriges Jubiläum

Der Musical-Studiengang der Theaterakademie August Everding feiert sein 25-jähriges Jubiläum

von Tobias Hell

Ein Ort der Begegnung und des künstlerischen Austauschs: Das war es, was August Everding bei der Gründung der mittlerweile nach ihm benannten Theaterakademie vorschwebte. Keine Ausbildung in der eigenen Blase, sondern ein praxisnahes Arbeiten von insgesamt acht Studiengängen, vereint unter dem Dach des Münchner Prinzregententheaters. Fester Bestandteil ist seit mittlerweile 25 Jahren auch das Genre ­Musical, das trotz der Prägung durch Schauspiel-Legende Fritz ­Kortner oder Everdings Regiearbeiten an der New ­Yorker Met und bei den Bayreuther Festspielen stets zu dessen heimlichen Leidenschaften zählte.

Ein Erbe, das die frisch von Berlin nach München gewechselte, neue Präsidentin der Theaterakademie Prof. Dr. Barbara Gronau weiter pflegen will: „Ich bin ein großer Fan des Musicals, weil es eine Theaterform ist, die zu großen Emotionen verführen kann.“ Auf gängige Klischees lässt sich das Genre Musical längst nicht mehr reduzieren. Denn auch das Schauspiel hat die Musik als Gestaltungsmittel entdeckt, was die Grenzen zwischen den Gattungen immer durchlässiger werden lässt. „Unsere Studierenden sind eine neue Generation mit eigener Prägung und eigenen Ideen, die wir dazu ermutigen wollen, das Theater der Zukunft aktiv mitzugestalten.“ Das setzt natürlich eine solide Basis voraus, ebenso wie den Dialog mit denen, die bereits im Beruf stehen. „Was mir hier in München besonders auffällt ist, dass die Theaterakademie eine unglaublich starke Alumni-Arbeit quer durch alle Studiengänge leistet. Dadurch ist ein Netzwerk entstanden, das nicht zu unterschätzen ist. Vor allem im Musical, das meist kein fester Bestandteil der Staats- und Stadttheater ist.“

Prof. Dr. Barbara Gronau und Marianne Larsen
Prof. Dr. Barbara Gronau (links) und Marianne Larsen wollen die Studierenden mit einer praxis­nahen Ausbildung fit fürs Berufsleben machen (Fotos Marie-Laure Briane, Christian Hartmann)

Trotzdem oder gerade deswegen fällt auch die Bilanz von Musical-Studiengangsleiterin Marianne Larsen durchaus positiv aus. Die aus Dänemark stammende Sängerin, die in ihrer Karriere stets souverän zwischen Oper, Operette und Musical pendelte und den Theaterbetrieb von beiden Seiten kennt, war seit Gründung des Studiengangs als Dozentin aktiv und übernahm schließlich 2012 in Nachfolge von Georg Malvius und Vicki Hall die Leitung. „Ich besuche beruflich viele Premieren in ganz Deutschland und treffe dort fast immer bekannte Gesichter. Ich bin sehr froh zu sehen, dass viele unserer Leute noch immer gut im Geschäft sind. Oder teilweise auch ‚schon‘ im Geschäft – gerade die beiden letzten Jahrgänge, die durch Corona schwer geschädigt wurden. Aber selbst da sind viele inzwischen bis weit ins nächste Jahr hinein ausgebucht. Das beruhigt sehr.“

Von neuem Mut und Privilegien

Grund dafür mag sein, dass auch an so manchen Staats- und Stadttheatern inzwischen ein Umdenken stattgefunden hat. Denn wo früher eher Klassiker wie „My Fair Lady“ oder „Cabaret“ auf dem Spielplan standen, die sich zur Not auch achtbar mit Opernsängerinnen und Schauspielern besetzen lassen, sind viele Theater mittlerweile bei der Stückauswahl etwas mutiger geworden.

Was aber noch wichtiger ist: Die Theater holen dafür endlich auch Musical-Profis. Und dies nicht nur als Gäste, sondern zuweilen sogar als Allzweckwaffen im Ensemble. Von ihren ehemaligen Schützlingen nennt Marianne Larsen unter anderem Patrizia Unger, die am Salzburger Landestheater neben Musical-Rollen auch im Schauspiel überzeugte, oder die frisch ans Theater Regensburg verpflichtete Fabiana Locke.

Armin Kahl
Armin Kahl (Foto Alexander Moitzi)

Das gleiche gilt für Armin Kahl, der 2004 seinen Abschluss machte und nach zahlreichen Long-Runs in Wien, Hamburg oder Stuttgart aktuell zum Ensemble des Staatstheaters am Gärtnerplatz zählt und damit in seine alte Münchner Wahlheimat zurückkehrte. Wenn Kahl sich an seine Studienzeit erinnert, kommt auch bei ihm schnell die Rede auf die von Marianne Larsen als Wendepunkt bezeichnete „On the Town“-Inszenierung von Regisseur Gil Mehmert. „Das war schon eine Hausnummer. Es war eine der ersten großen Produktionen, bei der mein Jahrgang damals mit auf die große Bühne durfte. Und das fand ich immer mega an der Theaterakademie, dass man hier ein Haus wie das Prinzregententheater hat und dazu noch das kleinere Akademietheater. Da gab es unglaublich viele Spielmöglichkeiten, um sich auszuprobieren.“ Ergänzt durch regelmäßige Kooperationen mit Häusern wie den Theatern von Nürnberg, Fürth, Augsburg, Bamberg oder Erfurt, an denen sich Kahl und die anderen Studierenden im professionellen Umfeld beweisen mussten. „Es ist ein Privileg, wie berufsnah man hier arbeiten kann und darf. Das hat mir auch geholfen, als ich unmittelbar nach dem Studium ein Engagement als Sky bei ‚Mamma Mia!‘ in Stuttgart bekam. Da hat mich das riesige Haus nicht ganz so erschlagen wie manch andere, die auch frisch von der Schule kamen. Weil ich eben das ‚Prinze‘ gewohnt war.“

Frischer Wind und viele Ziele

Nach fast zwei Jahrzehnten im Beruf merkt auch Armin Kahl, dass sich viel in der hiesigen Musical-Szene getan hat. Waren es auf Seite der Lehrenden früher meist Quereinsteiger aus Oper, Ballett und Schauspiel oder Profis aus England und den USA, ist mittlerweile eine Generation deutscher Darstellerinnen und Darsteller herangewachsen, die genau wie er eigene Erfahrungen in Workshops an den Nachwuchs weitergeben. „Unsere Ausbildung an der Theaterakademie war sehr breit gefächert. Und darauf kann man mit Recht stolz sein, weil einem leider oft immer noch die alten Vorurteile begegnen, dass man als Musicaldarsteller zwar alles ein bisschen, aber nichts richtig kann. Gerade wenn man mit Opernleuten arbeitet. Aber wenn die Proben dann erst einmal laufen, kommt meistens doch schnell ein wertschätzendes ‚Cool, was ihr da macht‘. Man muss einfach auf beiden Seiten offen sein und anderen mit Respekt begegnen.“

Musical ist ein breit gefächertes Genre. Mal steht der Tanz im Vordergrund, mal muss eine Geschichte ganz ohne Dialoge einfach nur durch Songs erzählt werden. Und wo das eine Stück stimmlich einen klassischen Background verlangt, haben andere ihre Wurzeln im Punkrock oder im deutschen Schlager. Will man sich da behaupten, ist in der Ausbildung vor allem Vielseitigkeit gefragt. Aber auch die Förderung individueller Stärken, wie Marianne Larsen bekräftigt. „Natürlich ist es bei der Aufnahmeprüfung wichtig, dass man ein gewisses Potenzial erkennt. Aber manchmal merkt man danach eben erst im Laufe des Studiums, wohin die Reise geht und welche anderen Talente womöglich noch in einem Menschen stecken.“

Und so findet sich unter den Musical-Alumni der Theaterakademie neben TV-Kommissar Tom Beck, Chansonnier Valdimir Korneev oder Schlager-Sängerin Ella Endlich auch Miriam Clark, die nach ihren Musical-Anfängen inzwischen bei Bellinis „Norma“ angekommen ist und international mit Partien von Giuseppe Verdi oder Richard Strauss reüssiert. Natürlich aber vor allem zahlreiche Namen, die heute aus der deutschen Musical-Szene nicht mehr wegzudenken sind. Größen wie Roberta Valentini, Milica Jovanović, Patrick Stanke oder eben Armin Kahl.

on the town
„On the Town“ war 2002 eine Bewährungs­probe für den Münchner Musical-Nachwuchs und wurde schließlich zum umjubelten Highlight der Ära von Vicki Hall (Foto Lioba Schöneck)

Vom Geheimtipp zum Coup

Auch die Produktionen des Studiengangs sind längst mehr als ein Geheimtipp in der Szene. Nicht zuletzt, weil Marianne Larsen immer wieder auf Stücke abseits des Standardrepertoires setzt, stets zugeschnitten auf die Stärken des jeweiligen Jahrgangs. Und das Können ihrer Studierenden scheint auch bei den Verlagen angekommen zu sein. Sie vertrauten der Theaterakademie unter anderem die deutschen Erstaufführungen von Rodgers & Hammersteins „­Cinderella“ oder Andrew Lippas „Big Fish“ an, wobei letztere Produktion im Anschluss an die Münchner Premiere noch am Musiktheater im ­Revier Gelsenkirchen mit ähnlichem Erfolg gezeigt wurde.

Für die Jubiläumssaison ist Larsen mit der kontinentaleuropäischen Premiere von Shaina Taubs gefeierter Shakespeare-Vertonung „Twelfth Night“ nun erneut ein echter Coup gelungen. „Ich freue mich sehr, dass wir damit ein Musical einer spannenden jungen Komponistin zeigen können. Vor allem, weil das Stück nicht nur gute Musik hat, sondern mit dem Geschlechtertausch auf der Bühne gleichzeitig auch die aktuelle Diskussion um Gender und Diversity aufgreift.“ Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass sich Unterhaltung und Tiefgang im Musical keineswegs ausschließen und auch in diesem Genre die Grenzen immer wieder neu ausgelotet werden.

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe November/Dezember 2022

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Frustrationspotenzial? Null!

Die neue Präsidentin der Salzburger Festspiele Dr. Kristina Hammer startet ihre Aufgabe in turbulenten Zeiten. Sie darf nicht nur, sie muss einige Dinge neu denken

Die neue Präsidentin der Salzburger Festspiele Dr. Kristina Hammer startet ihre Aufgabe in turbulenten Zeiten. Sie darf nicht nur, sie muss einige Dinge neu denken

Interview Iris Steiner

Bereits zu ihrem Amtsantritt im ­Januar waren die Zeiten für Kulturbetriebe nicht rosig, wenige Wochen später wurde die Situation noch schlimmer – der Ukraine­krieg brach über Europa herein. Nicht genug, dass man während der beiden Pandemie-­Saisonen den Fortbestand der Festspiele nur mit riesigem Zusatzaufwand sichern konnte, von heute auf morgen stand nun sogar das gesamte Geschäftsmodell am Pranger. Hauptanklagepunkt: „Toxisches Sponsoring“. Mit dem gesellschaftspolitischen Diskurs zu Gazprom & Co. und der neuen Sensibilität im Zuge einer wankenden Weltordnung änderten sich quasi über Nacht die ethischen Voraussetzungen für Privatfinanzierung von Hochkultur.

Dr. Kristina Hammer sei die Richtige, um „die Salzburger ­Festspiele in ein neues Zeitalter [zu] führen“, meinte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer zur Nominierung der 53-jährigen Wirtschaftsjuristin – und hätte im September vergangenen Jahres wohl nicht gedacht, wie sehr sie damit den berühmten „­Nagel auf den Kopf“ getroffen hatte. Auch der Salzburger Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer bewies in seiner Laudatio hellseherische Fähigkeiten, sein lobender Ansporn für die neue Präsidentin, „neue Herausforderungen für die Salzburger Festspiele als weltbestes, klassisches Dreisparten-Festival zu meistern“, geriet unfreiwillig zur Stellenbeschreibung.

Wir wollten wissen, wer eigentlich „die Neue“ in Salzburg ist, deren Ernennung als überraschend galt. Eine Frau, Typ weibliche Top-Managerin, noch dazu Nicht-Österreicherin und aus der Wirtschaft – kann das gutgehen im altehrwürdigen Salzburger Festspiel-Klüngel? Lesen Sie selbst.

Eröffnung der Salzburger Festspiele 2022
Festakt zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2022 (Foto Land Salzburg / Neumayr – Leopold)

Wie bewegen Sie sich als weibliche Führungskraft unter Männern?
Mit Authentizität. Ich bin eine Verfechterin von klarer Kommunikation und der Herangehensweise „Steter Tropfen höhlt den Stein“, nicht des schnellen Gewinnen-Wollens um jeden Preis. Wenn man, wie ich, einen nicht unerheblichen Teil des beruflichen Lebens in männerdominierten Unternehmen verbracht hat – ich komme aus der Automobilindustrie – lernt man sehr schnell, dass Kooperation nur auf Augenhöhe funktioniert.

Was unterscheidet weibliches Leadership von männlichem?
Frauen sind oft von Natur aus kommunikativer. Wir haben den Vorteil, dass uns Dinge mit Erklärungsbedarf „liegen“. Außerdem sind wir oftmals konsensgetrieben, was ich eher für einen Vorteil als für einen Nachteil halte. In der heutigen Arbeitsmarkt-Situation kommt noch ein dritter wichtiger Vorteil dazu, den viele Frauen in Führungspositionen positiv ausspielen: Empathie. Und zu guter Letzt reden wir auch noch über etwas, das uns die Männerwelt gerne abspricht: Durchsetzungskraft und Durchsetzungswille. Wir wären nicht dort, wo wir sind, wenn wir das nicht hätten.

Könnten Sie uns das vielleicht an einem Beispiel verdeutlichen?
Ich kann mich an eine Situation erinnern, wo es um den Fortbestand eines internationalen Sponsorings ging. Anscheinend hatte man im lokalen Markt in der Kürze der Zeit nicht genug Geld verdient und deshalb den obersten Boss eines Dienstleisters zu mir geschickt, um den Vertrag aufzukündigen. Ich wollte ihm zunächst erklären, dass die Kooperation auf einer internationalen Grundlage und damit auf der Basis vieler wichtiger Standorte funktioniert, und man sich mit denen zunächst abstimmen sollte – das hat mein Gegenüber aber nicht interessiert. Ich hatte dann spontan die Idee, umgehend den USA-Landes­chef anzurufen, um im Falle einer einseitigen lokalen Kündigung die dortige Sponsoringvereinbarung unsererseits abzusagen. Mein Verhandlungspartner hat ein paar Minuten überlegt und dann eingelenkt.

Sie hatten also im richtigen Moment die richtige Idee und den Mut zu kontern?
Genau darum geht’s: Um Weitsicht, die richtige Idee zur richtigen Zeit, Entscheidungsfreude und darum, sich generell nicht erpressen zu lassen. Auch wenn man vermeintlich die/der Schwächere ist.

Hatten Sie schon einmal das Gefühl, dass es für Sie als Frau schwieriger ist, sich durchzusetzen?
Natürlich war es an manchen Stellen schwieriger, weil ich eine Frau war – besonders in einer männerdominierten Umgebung. Aber es gab auch Fälle, wo es einfacher war. Was glauben Sie, wie schnell man sich ihren Namen merkt, wenn Sie die einzige Frau sind?

Birgt diese Erfahrung nicht auch ein gewisses Frustrationspotenzial?
Ich selbst gehöre zu der Spezies Mensch, der das Gen für Frustration fehlt, dafür bin ich viel zu interessiert, auch an anderen Perspektiven. Ich denke aber schon, dass es manchen leichter fällt, einer Frau mit Vorurteilen zu begegnen als einem Mann – übrigens auch Frauen.

Es gibt Frauen, die behaupten, dass sie gerade mit Frauen nicht gerne zusammenarbeiten. Wie stehen Sie dazu?
Das Geschlecht ist für mich nicht entscheidend, es sind eher bestimmte Typen, mit denen es schwieriger ist zusammenzuarbeiten – Männer und Frauen.

Durften Sie schon einmal die Erfahrung mit dem Phänomen „Zickenterror“ machen? Zumindest nennen Männer das gerne so …
Das mag es sicher im Einzelfall geben, ich würde das aber nicht pauschalisieren. Meine Erfahrung ist eine andere, ich hatte in der Zusammenarbeit mit Frauen nie ein derartiges Problem. Im Gegenteil: Ich durfte lernen, dass besonders alleinerziehende Mütter tolle Kolleginnen und Mitarbeiterinnen sind – weil sie in der Regel herausragend organisieren können. Diese seltsamen Schubladen finde ich nicht zielführend.

In der Pause von Rossinis „Il barbiere di Siviglia“, August 2022. Regie führte Rolando Villazón, es sang u.a. Cecilia Bartoli. V.l.n.r.: Joachim Sauer, Angela Merkel, Kristina Hammer, ­Hermann Reichenspurner, John Neumeier (Foto Salzburger Festspiele/Franz Neumayr)

Sie haben mit dem Amt der Präsidentin der ­Salzburger Festspiele Ihren Tätigkeitsschwerpunkt von der Wirtschaft in die Kultur verlegt. War das eine bewusste Entscheidung?
Ich möchte meine Wirtschaftsexpertise in den kulturellen Bereich einbringen. Durch meine Tätigkeit in internationalen Unternehmen, später als Unternehmerin und Führungskräfte-Coach, habe ich erfahren, was „Leadership“ heißt und dieses vielstrapazierte Wort „Change­management“. Es geht um positive Veränderung, um notwendige Weiterentwicklung in volatilen Zeiten. Durch meine Arbeit im Vorstand der Freunde der Oper Zürich bekam ich insbesondere in der Pandemiezeit eine große Nähe zu diesem Kulturbetrieb – gerade, weil es oft um elementare Fragen ging. Ich stellte fest, dass ich mit meinem Wissen etwas Neues einbringen und bewegen kann. Das ist, was mich fasziniert. Hier bei den ­Salzburger ­Festspielen gibt es viel künstlerisches und technisches Wissen und Erfahrung, in einer Tiefe und Breite, wie man es schöner nicht finden kann. Dafür brauchen die mich nicht. Ich bin da, um etwas hinzuzufügen.

Haben Sie Ihre „Einstiegs-Schnittstelle“ schon gefunden? Die Salzburger Festspiele sind – bildlich gesprochen – doch ein sehr großer Tanker, der dementsprechend schwer beweglich ist. Wie dockt man als „Neue“ mit neuen Ideen hier am besten an?
Da muss ich Ihnen widersprechen, es sieht von außen möglicherweise aus wie ein Tanker, ist aber innen ein Schnellboot. Wenn man den Ablauf einer kompletten Saison verfolgt, weiß man, dass hier unglaublich schnell, wendig und pragmatisch agiert wird. Das ist Projekt­management auf höchstem Niveau.

Haben Sie sich für eine Bewerbung entschieden, weil Sie Ihre Wirtschaftskompetenz bei den Salzburger Festspielen einbringen und gleichzeitig Ihr „Hobby“ mit Managementkompetenz zusammenzuführen möchten?
Meine Aufgabe hier ist sehr vielfältig – daher ist auch die Antwort auf Ihre Frage mehrschichtig. Ein Schwerpunkt ist aber schon, dass mich die Themen Sponsoring, Marketing und Kommunikation bereits mein gesamtes Berufsleben begleiten – als leitende Mitarbeiterin in global agierenden Konzernen, ebenso wie als Unternehmerin oder Gastdozentin an der Universität St. Gallen. Genau wie meine Leidenschaft für Oper, Theater und Konzert. Man muss in diesen Bereichen immer wieder neue Wege denken.

Was ist Kultursponsoring heute im Vergleich zu vor zwanzig Jahren?
Früher war es oft geprägt von patriarchalischen Strukturen in Firmen, wo sich der Unternehmer oft aus persönlichem Interesse für ein bestimmtes Kulturprojekt entschieden hat. Mittlerweile hat sich das Ganze mehr in Richtung gesellschaftspolitisches Engagement weiterentwickelt. Man erkennt, welche Bedeutung Kultur lokal und in unserem Falle auch international hat. Sponsoring bedeutet heute, partnerschaftlich etwas zu entwickeln, das dem Unternehmen und dem Kulturbetrieb gleichermaßen nützt.

Wie weit sehen Sie heute diese Wahrnehmung des „gegenseitigen Nutzens“ bereits in den Köpfen verankert?
Für uns ist das ein sehr wichtiger Faktor, den ich gerne am Beispiel zweier unserer Hauptsponsoren aufzeigen möchte: Über 1 Million Menschen konnten in den letzten Jahren dank Siemens im größten Public Screening der Klassikwelt „Open-Air“ Konzerte, Opern und den „Jedermann“ kostenfrei in Salzburg auf dem Kapitelplatz genießen. Das ist ein gesellschaftspolitisches Engagement, das über reines Sponsoring hinausgeht. Und ein weiteres Beispiel: Durch unseren Sponsor BWT-Best Water Technology sind wir heute ein plastikflaschenfreies Festival.

Verfolgen Sie auch den anderen Blick auf die Dinge – dass ein Kulturveranstalter den Sponsor mit etwas von dem bereichert, was das Wesen und der positive Effekt von Kultur ist?
Ja, beispielsweise mittels Führungskräftefortbildung: Hier beschäftigen wir uns mit dem Thema Effektivität und Teamwork. Nehmen wir als Beispiel einen Dirigenten, der bei uns in kürzester Zeit mit unterschiedlichsten Musikern verschiedenster Nationalitäten ein Werk erarbeitet. Genau das wird heute in internationalen Firmen gefordert – ein wertvolles Know-how, das wir auch gerne an unsere Partner weitergeben.

Sind Sichtweisen wie diese vielleicht der Grund, weshalb genau Sie für dieses Amt der Präsidentin ausgewählt wurden?
Die ausschlaggebenden Faktoren, die letztendlich zu meiner Wahl geführt haben, kenne ich natürlich nicht. (lacht) Aber die Kriterien gingen schon in Richtung Internationalität, Führungskompetenz und unternehmerischen Gestaltungswillen. Die Präsidentin muss mit den unterschiedlichsten Menschen und Stakeholdern kommunizieren können, daher ist Kommunikationsstärke gefragt – vor allem solche, die mit sozialer, integrativer und vermittelnder Kompetenz einhergeht.

Wie möchten Sie persönlich das Amt der Präsidentin ausüben?
Ich sehe mich – und das ist mir wichtig – als „Ermöglicherin“ hier im Festspielbetrieb und als diejenige, die das Beste aus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herausholt. Darüber hinaus gibt es ganz klare ­Aufgaben im Bereich Marketing, Presse, Vertrieb und Sponsoring sowie die Vertretung der Festspiele nach außen. Die vornehmste Aufgabe der Präsidentin ist für mich aber ihre Funktion als „verbindendes und inspirierendes Element“, um einen so vielschichtigen Betrieb wie den unseren zusammenzuhalten und integrativ in die Zukunft zu führen. Dieses Ziel verbindet uns dann auch wieder mit einem Wirtschaftsunternehmen.

Wie möchten Sie zukünftig die „richtigen“ Sponsoren für die Salzburger Festspiele gewinnen? In der heutigen Zeit ja bekanntlich kein einfaches Unterfangen …
Wir sind uns bewusst, dass es diesbezüglich einen gesellschaftspolitischen Dialog gibt. Was man aber keinesfalls vergessen darf: Die Salzburger Festspiele sind zu 75% eigenwirtschaftlich finanziert. Wir brauchen Sponsoring – und als internationales Festival brauchen wir auch internationale Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten. Wir sind dabei auch offen gegenüber den aktuellen Entwicklungen wie bspw. einem Code of Conduct. Als Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer einen runden Tisch dazu ins Leben gerufen hat, waren wir von Anfang an mit dabei. Es darf nur nicht um eine generelle Ablehnung von multinationalen Konzernen gehen, sondern um nachvollziehbare Grundsätze und Leitplanken ohne Attraktivitätsverlust gegenüber der privaten Wirtschaft, die sich mit uns als Kulturinstitution proaktiv beschäftigen möchte. Das meine ich jetzt übrigens sowohl auf künstlerischer Ebene als auch als Partner mit interessanten Angeboten für Unternehmen.

Die Abkehr von einer „Bittsteller-Mentalität“ der Kultur hin zu unternehmerischer Partnerschaft im Wirtschaftskreislauf also? Ihr Spezialgebiet?
Es geht um eine ernsthafte Auseinandersetzung darüber, was gute Partnerschaft zwischen Kultur- und Wirtschaftsbetrieben im 21. Jahrhundert ausmacht. Und ja, es schadet nicht, wenn man dazu auch die Interessens- und Erwartungshaltung eines Unternehmens einschätzen kann.

Young Singers Project 2022
Empfang anlässlich der Präsentation des Young Singers Project 2022 mit Serafina Starke, Alma Neuhaus und Flore Van Meerssche (von links) (Foto Salzburger Festspiele/Erika Mayer)

Haben Sie eigentlich ein persönliches inhaltliches „Steckenpferd“ bei den Festspielen?
Ganz vorne mit dabei ist das Thema Jugend. Es geht uns hier jedoch nicht um eine grundsätzliche Veränderung unserer Zuschauerbasis, sondern um deren Verbreiterung – und um eine kluge, vielschichtige Attraktivierung des Programms für junge Menschen. Nicht nur wir stellen leider fest, dass die Unterstützung von Familie und Schule im Hinblick auf Opern- und Konzertbesuche von Kindesbeinen an rückläufig ist. Hier sehe ich in der Zukunft mehr und mehr uns Veranstalter gefragt. Die ­Salzburger Festspiele haben zum 100-jährigen Jubiläum die neue Sparte „jung&jede*r“ gestartet. Wir möchten Kinder und Jugendliche für Sprech- und Musiktheater begeistern und Schwellenangst abbauen – mittlerweile tun wir das auch außerhalb der Festspielhäuser in Schulen und Kulturstätten in der Stadt und im ganzen Land Salzburg. Auch bieten wir einwöchige Operncamps an, wo Kinder und Jugendliche mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker im Orchester zusammenspielen, um dann am Ende der Woche ihre Interpretation unserer Stücke darzubieten. Unsere jährliche Kinderoper wird von den Nachwuchssängern des „Young Singers Project“ präsentiert: Aus hunderten von Bewerbern wählten wir dieses Jahr wieder 17 junge Sängerinnen und Sänger aus, die über den Sommer unter anderem an Meisterklassen teilnehmen. Und heuer haben wir zum ersten Mal Patenschaften ins Leben gerufen. Langjährige Festspielbesucher werden mit einem jungen Erwachsenen „gematcht“, der noch nie zuvor bei den Festspielen war, und beide besuchen gemeinsam eine Vorstellung. Die Paten geben ihre langjährige Begeisterung und ihre schönsten Festspiel­erfahrungen weiter und nach eigenem Erleben kann ich sagen, dass da wirklich der Funke übergesprungen ist. Darüber hinaus vergeben wir 6.000 Jugendkarten mit bis zu 90% Rabatt, was in der breiten Öffentlichkeit leider noch nicht allgemein bekannt ist. Uns ist es wichtig, nicht exklusiv und elitär, sondern integrativ zu sein. Die Salzburger Festspiele sind nicht nur große Oper und „Jedermann“ – wir bestanden in diesem Jahr aus 174 kleinen und größeren Aufführungen in drei Sparten und 54 Veranstaltungen im Jugendprogramm. Ich werde nicht müde, das zu wiederholen.

Was macht Salzburg denn eigentlich so besonders ­geeignet für ein solches Festival?
Als unsere visionären Gründerväter Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss am Ende des Ersten Weltkrieges die Salzburger Festspiele in einer entsetzlichen, fast hoffnungslosen Situation ins Leben gerufen haben, war der Grundgedanke, etwas Friedensstiftendes und Völkerverbindendes zu schaffen – mit dem Anspruch, „das Beste aus Oper, Konzert und Theater“ zu zeigen, wie Hofmannsthal es ausdrückte. Das verfolgen wir als Leitgedanken auch heute noch, jedes Jahr. Salzburg ist eine unglaublich schöne Stadt im Herzen Europas mit 18 Festspiel-Spielstätten. „Die ganze Stadt ist Bühne“ war die Vision von Max Reinhardt. Auch das gilt heute unverändert.

Leben Sie eigentlich auch privat in Salzburg?
Ich bin Anfang Januar zunächst mit zwei Koffern hierhergezogen und lebe jetzt ganzjährig hier. Wenn man in einem solchen Kulturbetrieb und in der Stadt wirklich verankert sein möchte, kann man nicht unregelmäßig von irgendwoher „einfliegen“.

Und natürlich darf auch die typische deutsche „Neidfrage“ – gerade an Sie – nicht fehlen. Gehen Österreicher mit Kunst und Kultur denn wirklich besser um als wir Deutsche?
Als Deutsche und Schweizerin, die mit einem Österreicher verheiratet ist, kann ich diese Frage wirklich ganz gut beantworten. (lacht) Ja, ich glaube, die Kultur hat in Österreich wirklich einen anderen Stellenwert – kulturelle Ereignisse werden viel mehr in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen als beispielsweise in Deutschland. Das ist mir oft aufgefallen. Kultur hat einen höheren Wert hier – das ist schön und besonders. Eine große Motivation für unsere Arbeit im Übrigen.

Dieses Interview ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe November/Dezember 2022

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Die singende Nation

Joseph Calleja feiert sein Land und sein 25-jähriges Bühnenjubiläum mit einem Open-Air-Spektakel auf Malta

Joseph Calleja feiert sein Land und sein 25-jähriges Bühnenjubiläum mit einem Open-Air-Spektakel auf Malta

von Iris Steiner

Eine „Opernreise“ nach Malta? Die ehemalige Oper, das „Teatru Rjal“, wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und ist heute nur als Freilichtbühne in Betrieb, Maltas Nationaltheater, das „Teatru Manoel“, ist zwar eines der ältesten Häuser Europas, hat aber aktuell keinesfalls einen opernaffinen Spielplan. Skurrilerweise besitzt die winzige Nachbarinsel Gozo dafür gleich zwei Opern – im Abstand von 300 Metern und für nicht einmal 30.000 Einwohner. Die Malteser lieben das Singen, es gibt eine lebendige Gesangstradition quer durch alle Altersgruppen und auch Maltas Tenor-Star hat einen Kinderchor ins Leben gerufen, der selbstverständlich bei seinem Jubiläumskonzert zum Einsatz kam. Über allem schwebt der Wunsch, EINMAL den Eurovision Song Contest zu gewinnen …

So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass in einem der beiden Opernhäuser auf Gozo, dem „Teatru ­Astra“, 1997 ein damals 19-jähriger Tenor namens Joseph ­Calleja sein Debüt als Macduff in Verdis „Macbeth“ gab, im selben Jahr den Belvedere-Hans-Gabor-Wettbewerb gewann, 1998 den Caruso-Wettbewerb in Mailand und ein Jahr später den CulturArte-Preis bei ­Domingos Operalia-­Wettbewerb. Spätestens jetzt wurde der Schüler des bis dahin berühmtesten heimischen Opernsängers, Paul Asciak, zu dessen Nachfolger im internationalen Operngeschäft, zum Aushängeschild seines gesangsbegeisterten Landes und 2012 sogar zum ersten von der Regierung ernannten Kulturbotschafter Maltas. Erst vor wenigen Jahren konnte man den bereits berühmten Calleja überraschenderweise noch einmal in seiner kleinen Debütrolle des Macduff erleben – an der Bayerischen Staatsoper, die auch gerne einmal Weltstars in Nebenrollen verpflichtet. „Sie haben mich gefragt“, lautet die pragmatische Antwort auf die Frage, weshalb er sich denn für so eine kleine Rolle zur Verfügung stelle. Gab es nicht auch einen nostalgischen Hintergrund? „Es war meine erste Rolle, natürlich ist die mit aufregenden Erinnerungen verbunden. Und ich halte es mit ­Pavarotti: So gut ein Macbeth auch singen mag, der Macduff hat die eine Arie im Stück, an die man sich erinnert …“

Links: St. John’s Cathedral | Rechts: Mit traditionellem Fischerboot geht’s ans andere Ufer nach Valetta (Fotos Iris Steiner)
Links: St. John’s Cathedral | Rechts: Mit traditionellem Fischerboot geht’s ans andere Ufer nach Valetta (Fotos Iris Steiner)

Widerstandsfähigkeit als hoher Wert

Am 26. Juli feierte Joseph Calleja sein 25-jähriges Bühnenjubiläum mit einem großen Open-Air-Konzert. Eine Heimkehr nach Malta oder immer wieder ein „Aufbruch in die Welt“ von hier aus? Beides, meint er verschmitzt: „Ich bin Malteser – unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsort.“ An seiner Seite heute wie damals: Plácido ­Domingo, der künstlerische Übervater, mit dem ihn eine ganz besondere Freundschaft verbindet. Domingo war es, der ihn entdeckte und förderte, durch Domingos Unterstützung wurde Calleja wie viele andere Sängerinnen und Sänger vor und nach ihm weltbekannt. „Plácido ist als Sänger eine Ausnahme-Erscheinung und als Förderer junger Talente einzigartig“, meint Calleja und man spürt nach wie vor die starke emotionale Verbundenheit. „Was kann man über die größte lebende Legende der Oper noch sagen, was nicht schon gesagt wurde? Er ist ein Vorbild in Geduld und Disziplin, jemand, der einem beibringt, wie man nach Niederlagen wieder aufsteht und wie man mit Rückschlägen umgeht, die früher oder später jeden von uns treffen.“

Widerstandsfähigkeit: Ein Begriff, den er auffällig oft verwendet in diesem Gespräch und der die Bindung zwischen Calleja und seiner Insel wohl am besten in Worte fasst. Dieser Schmelztiegel aus arabischer und westlicher Kultur, geprägt von seiner geografischen Lage zwischen Sizilien und Tunesien, brauchte im Laufe der Jahrhunderte viel Widerstandsfähigkeit, um zu überleben. Die megalithischen Tempel Maltas gehören zu den ältesten Zeitdokumenten der Menschheitsgeschichte. Römer, Johanniter-Ritter, Araber, Briten: Alle haben die kleine Insel erobert und zum Bollwerk eigener Interessen gemacht. „Wir sind geprägt von dieser speziellen Energie“, sagt Calleja, „solche Einflüsse fördern geistige und seelische Gesundheit und die Stärke eines Menschen“. Durch eine Corona-Erkrankung mit Long-Covid-Symptomen war er vor Kurzem zwei Monate zwangsbeurlaubt – und fühlt sich nach eigenen Angaben immer noch nicht hundertprozentig fit. „Manchmal sind im Terminkalender vier Tage Regeneration eingeplant. Ich brauche aber neuerdings eineinhalb Wochen, um wirklich wieder meine beste Form abrufen zu können.“

Ob er überrascht war, wie schlecht man den Kulturbetrieb während der Corona-Krise behandelte? „Weil die Politik das so wollte“, meint er und wirkt dabei eher gleichgültig als wütend. „Überall, nicht nur in Malta, gab es unsinnige Regeln. Zu einem Fußballspiel durfte man gehen, in die Oper nicht. Wir alle haben gelernt: Kultur ist Luxus.“ Calleja zuckt mit den Schultern, der Interviewraum im Keller des Fort Manoel wird unüberhörbar von den gewaltigen Orchesterklängen der laufenden Generalprobe geflutet. Er macht eine kurze Denkpause und fügt nicht ganz ohne Sarkasmus hinzu: „Medizinische Versorgung oder Lebensmittel sind unbedingt nötig und sicher brauchte man während dieser Pandemie auch irgendwann genug Wein, um die Probleme zu vergessen. Aber Kultur?“

Mediterran-fröhliche Jubiläumsfeier und ernsthafte Studien für Bayreuth

Joseph Calleja und Chefredakteurin Iris Steiner: Manchmal passt ein Selfie eben am besten! (Foto Iris Steiner)
Joseph Calleja und Chefredakteurin Iris Steiner: Manchmal passt ein Selfie eben am besten! (Foto Iris Steiner)

Für seinen großen Abend hat sich Calleja etwas Besonderes einfallen lassen und lässt es sich auch nicht nehmen, höchstselbst vor Ort mitzuarbeiten und etwa die Akustik der Arena während der Probe zu überprüfen. Ein Open-Air-Konzert an „einem der schönsten Orte der Insel“, beschreibt er das Fort Manoel in Gżira. Mit Recht: Einen pittoreskeren Bühnenhintergrund als den Blick aufs Meer und die gegenüberliegende Landzunge der ab 1723 erbauten Festung erlebte wahrscheinlich selbst das Malta Philharmonic Orchestra selten zuvor. Ins ausverkaufte Auditorium pilgerten vorwiegend einheimische Besucher allen Alters – die recht schmale Straße hinauf zum Fort war besser fußläufig zurückzulegen. Drinnen und draußen herrschte Volksfeststimmung, Wein, Pizza und südländisches Durcheinander inklusive. Dass die Veranstaltung mit 45 Minuten Verspätung begann, störte niemanden, letztendlich kamen alle auf ihre Kosten: Bekannte Arien sowie Film- und Tenorschlager, abwechselnd und gemeinsam vorgetragen von Domingo und Calleja, unterstützt von verschiedenen Soprankolleginnen und Kinderchor, illuster inszeniert mit einem auf Malta generell sehr beliebten Feuerwerksspektakel.

Im kommenden Jahr verkörpert Calleja, der selbst noch nie in Bayreuth war, den Parsifal in der dortigen Neuproduktion des US-Regisseurs Jay Scheib. Eine Produktion, die wegen der angekündigten Augmented-Reality-Umsetzung bereits im Vorfeld mit besonderem Interesse erwartet wird. Auch für den Malteser ist es ein besonderes Debüt an einem besonderen Ort. „Ich arbeite an dieser Rolle mit sehr großer Ernsthaftigkeit. Bayreuth ist nicht irgendein Opernhaus, es ist ein Operntempel.“ Auch in dieser Rolle ist Plácido Domingo sein Vorbild und – gefragt nach aktuellen Kollegen – „natürlich Jonas Kaufmann“. Nichtsdestotrotz: Eine persönliche Note zu hinterlassen, ist ihm wichtig. „Ich möchte dem Parsifal mit meiner lyrischen und gleichzeitig kraftvollen Stimme eine besondere Süße verleihen. Und die Kenntnis der Sprache im deutschen Repertoire ist für mich unbedingt erforderlich. Also lerne ich bereits seit geraumer Zeit ganz fleißig Deutsch.“

Talentförderer auf der Suche nach dem Lebensglück

Ist man durch ein Heimatland, das erst 1964 politische Unabhängigkeit erlangte, denn eigentlich per se politisch geprägt? „Ich liebe mein Land“, lautet Callejas überzeugte Antwort, „aber das ist mehr ein Gefühl des Stolzes. Wir sind klein und großartig – und haben viel erreicht. Politik ist da nur ein Handwerkszeug von mehreren. Leider eines, das oft missbraucht wird.“ Ein umtriebiger Botschafter „im Sinne der Sache“ ist er zweifellos: Seine „BOV Joseph Calleja Foundation“ zur Förderung junger maltesischer Künstler im Ausland hat in den acht Jahren ihres Bestehens bereits 1,5 Millionen Euro gesammelt. Wenn es darum geht, die zerstörte Valetta Oper wieder aufzubauen, ist Calleja ebenfalls federführend. Er holt berühmte Gesangs-Kollegen aus aller Welt zu gemeinsamen Konzerten ins kleine Malta und verhilft den Nachwuchstalenten des Landes durch Domingos hochangesehenen Operalia-Wettbewerb zu internationalen Karrieren.

Und was kommt jetzt noch „Neues“ nach 25 Jahren? Vielleicht im Hinblick auf das Alter seines nach wie vor umtriebigen Mentors ­Domingo? Joseph Calleja wirkt entspannt, lacht bei dem Vergleich kurz auf: „Ich lebe von Tag zu Tag und habe ehrlich gesagt ­bereits jetzt mehr erreicht, als ich jemals dachte. Was mir für die Zukunft wirklich wichtig ist – und das meine ich jetzt aus vollem ­Herzen: glücklich und gesund sein. Und mit meinem ­Kindern segeln gehen!“

Happy 25th Career Anniversary!

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe September/Oktober 2022

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