Interview Florian Maier

Im Booklet zu Ihrer neuen CD stellen Sie direkt selbst eine naheliegende Frage in den Raum: „Noch ein Mozart-Album?“
(lacht) Ja! Weil es sich für mich gerade jetzt absolut richtig angefühlt hat. Ich singe in letzter Zeit unglaublich viel Mozart-Repertoire: mein Debüt bei den Salzburger Festspielen mit Fiordiligi, die Da-Ponte-Trilogie an der Berliner Staatsoper unter Daniel Barenboim, … Als dann der Direktor von Warner Music mit der Idee auf mich zukam, ein Album zu machen, auf dem ich mich durch verschiedenste Mozart-Opern singe, habe ich natürlich sofort zugesagt.

Eine Verneigung vor dem Komponisten, der Ihrer Karriere starken Auftrieb gegeben hat?
Auf jeden Fall! Mozart begleitet mich schon mein ganzes Leben. Meine Mutter hat während ihrer Schwangerschaft mit mir sehr viel Pamina gesungen. Sie hatte immer das Gefühl, dass ich in diesen Momenten in ihrem Bauch besonders glücklich war. Beim Besuch einer zeitgenössischen Oper habe ich sie wohl stattdessen sehr getreten, anscheinend eine Form von frühkindlichem Protest. (lacht) Auch im Laufe der Jahre bin ich nie von Mozart losgekommen – „Die Zauberflöte“ war schon immer meine Lieblingsoper, die Pamina an der Berliner Staatsoper dann auch folgerichtig meine erste Partie auf einer großen Bühne.

Was verbirgt sich hinter dem Albumtitel „Mozart x3“?
Arien von jeweils gleich drei Charakteren aus den drei Da-Ponte-Opern, ergänzt um Auszüge aus den drei Opere serie „Idomeneo“, „Lucio Silla“ und „La clemenza di Tito“. Ein Dreiklang in mehrerlei Hinsicht also. Gerade Mozart bietet sich dafür ganz besonders an.

Inwiefern?
Weil seine Figuren im Gegensatz zu vielen anderen Opern sehr modern, dreidimensional, menschlich sind. Nehmen wir beispielsweise Fiordiligi. Sie ist sehr widersprüchlich, sie sagt etwas und macht etwas anderes, macht etwas und sagt etwas anderes – ganz wie im wahren Leben. (lacht) Mozart und Da Ponte ist es gelungen, Frauen fast schon magisch in Musik zu transponieren. Wenn man sich wirklich mit Musik und Libretto von „Le nozze di Figaro“, „Don Giovanni“ und „Così fan tutte“ auseinandersetzt, trifft man auf sinnfällige, komplexe Charaktere – keine reduzierten Bühnenfiguren, sondern richtige Personen. Das Libretto gerät dabei nie zur Karikatur, die beste Musik ist meiner Meinung nach immer den Frauenpartien zugedacht – was will man mehr?

Karrierekick zum Salzburger Festspiel-Jubiläum: Elsa Dreisig als Fiordiligi in Mozarts „Così fan tutte“, 2020 (hier mit Johannes Martin Kränzle und Marianne Crebessa) (Foto Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus)

Trifft das in Ihren Augen auch auf die noch mehr der Tradition verpflichteten Opere serie zu?
Man merkt schon, dass „Idomeneo“, „Lucio Silla“ und „La clemenza di Tito“ nicht im genialen Teamwork mit Da Ponte entstanden sind. Der „Spirit“ ist hier ganz anders, irgendwie auch intimer. Ich spüre Mozart in diesen Werken fast mehr als in den Da-Ponte-Opern, die zweifellos figurentechnisch die Nase vorn haben.

Welche Partie war für Sie technisch gesehen die größte Herausforderung?
Donna Elviras Koloraturen in der Arie „Mi tradì quell’alma ingrata“ sind sehr merkwürdig. Sie ist emotional völlig verloren, was sich auf die Musik überträgt und es ziemlich schwer macht, als Interpretin Halt zu finden. Fiordiligi und Vitellia sind ebenfalls nicht zu unterschätzen, da man hier jeweils den Spagat zwischen der nötigen Höhe wie auch Tiefe bewältigen muss – und das im Idealfall nicht auf Kosten eines schönen Glanzes.

Sie entfesseln auf Ihrem Album einen rasanten „Rausch der Affekte“. In welcher Gefühlswelt fühlen Sie sich künstlerisch denn am wohlsten?
Ich mag „dunklere“, ambivalente Frauen sehr gerne, die ruhig auch kompliziert sein dürfen – Elettra, Vitellia, Fiordiligi oder auch Dorabella. Solche Partien sind meist energiegeladener und komplexer als „süße“ Rollen. Die Arien von Susanna und Donna Anna sind ebenfalls wunderschön. Aber dafür braucht man eine unglaubliche stimmliche Ruhe über lange Strecken, um ausgedehnte Phrasen sanft und fast schon schwebend zu bewältigen. Daran arbeite ich noch. Vielleicht auch deshalb, weil ich selbst kein ruhiger Mensch bin. (lacht)

Ein Blick auf Ihre bisherigen Alben „Miroir(s)“ und „Morgen“ verrät, dass Ihnen ein bloßes „Best-of Klassik“ nicht genug ist. Sehen Sie in hochwertigen Konzeptalben die Zukunft des Tonträgermarktes?
Ich denke, das kommt immer auf die Künstlerpersönlichkeit an. Mir macht es sehr viel Spaß, Programme zu erfinden und einen roten Faden in auf den ersten Blick merkwürdigen Kombinationen zu entdecken. Ein Album ist für mich mehr eine Spielwiese und weniger eine Miniatur, mit der man zeigt, wer man ist und wie gut man etwas singt. Natürlich kann man auch Spaß mit einem „klassischen“ Album voll großartiger Opernarien haben – Renée Fleming, Anna Netrebko und Angela Gheorghiu haben das oft genug bewiesen. Aber für mich ist das noch zehn Jahre zu früh, ein solches Projekt erfordert unglaubliche Stimmsicherheit und dafür fehlt es mir noch an Erfahrung. Im Hier und Jetzt ist es mir wichtiger, meine Persönlichkeit, Kreativität und Abenteuerlust zu zeigen. Aber irgendwann kommt das Belcanto-Album bestimmt. (lacht)

EMPFEHLUNG

„Mozart x3“
Elsa Dreisig, Louis Langrée, Kammerorchester Basel
1 CD, Erato